Re: Dead or alive? Der Einfluss der "alten Meister" auf jüngere Musiker

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roseblood

Registriert seit: 26.01.2009

Beiträge: 7,089

tolomoquinkolomAgitation und Protest-Songs kokettieren nicht, wenn sie sozialkritische Themen in einer Gesellschaft behandeln und sind auch alles andere als konservativ. Was du ‘universelle Haltung’ nennst, könnte auch als Rückzug ins Unverbindliche, ins Uneindeutige interpretiert werden.

Mit anderen Worten sagst du, dass Dylan Trivialität in den Folk gebracht hat? Dass er das Kernthema mit neuen Ideen füllte, die keinerlei Bezug mehr haben und somit nicht mehr so wichtig wären?

tolomoquinkolom
Der Künstler als Kunstwerk? Töne zu treffen sind Minimalanforderungen und was das ‘anders betonen’ angeht, so dehnt Dylan die Wörter seines Sprechgesangs oder verändert die Stimme nach oben gerade deswegen, weil er sie eben singend nicht halten kann. Da wird er dann leider oft zum leiernden Moritatensänger.

Aber das ist doch das Schöne. Dylan stand in der Pop-Musik nicht mehr für die Einheitsnorm, so wie es sein sollte, damit es auf Gefallen stößt. Dylans Darbietung des Gesanges schaffte einen völlig neuen Interpretationsspielraum. Er sang Pop-Musik mit einer Stimme, die für sich allein steht. Eine Stimme, die nicht austauschbar ist. Vieles in der Pop-Musik ist so konzipiert, dass es möglichst einen großen Kreis anspricht. Da war Dylan wie ein Gegenentwurf, der das Anderssein als individuelle Eigenschafft in die Pop-Musik etablierte. Dylan polarisierte (natürlich war er nicht der Erste, der das tat), aber in einer Form, die zuvor so nicht stattfand. In der Musik Dylans finden sich unglaublich viele Wesenszüge wieder, was man zuvor in der Pop-Musik nicht fand. Und davon haben all die späteren Generationen profitiert.

tolomoquinkolom
Zur einsamen Pionierarbeit von Dylan wäre anzumerken, dass er gar nicht so alleine war. Es gab Pete Seeger, The Kingston Trio und Peter, Paul & Mary, The Seekers, Harry Belafonte u.a., die Folk mit Pop verbanden. In seiner Autobiographie CHRONICLES erwähnt Dylan jenes Kingston Trio als frühen Einfluss. Letztere verbanden bereits vor Dylan Pop und Folk und beeinflussten damit viele Musiker (u.a. Gram Parsons, Stephen Stills, Gene Clark, Harry Chapin, Tim Buckley, The Bee Gees).

Ich habe nie behauptet, dass Dylan der alleinige Einfluss für all das Passierte gewesen ist. Lediglich, dass er in einem Maße beeinflusste, wie nahezu kein anderer.

tolomoquinkolom
Und dann wären auch noch jene Impulse und Einflüsse der Beat-Poeten (Burroughs, Ginsberg, Kerouac, Ferlinghetti – und auch die wiederentdeckten Rimbaud und Baudelaire) zu nennen, die keineswegs die Qualität von Dylans Songtexten schmälern sollen, aber doch zeigen, dass auch Dylan selbst unter deutlichem Einfluss stand, was den Umgang mit freieren, assoziierenden, kritischen Songtexten und Ausdrucksformen betrifft. Auch Dylan waren ja diese Poeten nicht unbekannt; Dylan Thomas nicht grundlos Namensgeber für Zimmermans Pseudonym.

Auch hier hat nie jemand behauptet, dass Dylan die anspruchsvolle Lyrik erfunden hat. Du schusterst dir das nur so zurecht, um Gegenargumente zu finden. Hier wurde geschrieben, dass Dylan anspruchsvolle Texte in die Pop-Musik brachte. Und dass er sich dabei von Schriftstellern inspirieren ließ, ist doch völlig legitim. Ändert aber nichts daran, dass Dylan diese Lyrik dann mit der Pop-Musik verband. Und nicht deine aufgezählten Beispiele.

tolomoquinkolom
Ja. Es geht hier zu wie in einem Religions-Seminar über einen anderen berühmten Zimmermann. Dabei soll ja niemandem seine Begeisterung ausgeredet oder Dylan-Jünger in ihrer Glaubensfestigkeit geprüft werden, aber manches klingt dann doch sehr nach heiliger Schrift und Messe mit Abendmahl.

Für wie wichtig siehst du denn überhaupt den Einfluss Dylans auf die Pop-Musik?
Bisher hast du dich immer angestrengt, alles zu widerlegen. Ist Dylan für dich (damit meine ich nicht für deinen persönlichen Geschmack) so bedeutungsschwanger?

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