Re: Dead or alive? Der Einfluss der "alten Meister" auf jüngere Musiker

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tolomoquinkolom

Registriert seit: 07.08.2008

Beiträge: 8,651

RosebloodZuvor war es eine Musikrichtung, die für sich allein stand, die sich zu anderen Richtungen bewusst abgrenzte und mit sozialkritischen Themen kokettierte. Im Folk war kein Platz für Pop. Und genau diese Grenzen riss Dylan nieder, weg von der konservativen Haltung zu einer universellen.

Agitation und Protest-Songs kokettieren nicht, wenn sie sozialkritische Themen in einer Gesellschaft behandeln und sind auch alles andere als konservativ. Was du ‘universelle Haltung’ nennst, könnte auch als Rückzug ins Unverbindliche, ins Uneindeutige interpretiert werden.

Dass einem die Gesangsstimme von Dylan nicht gefällt, okay, aber wieso meint man dann sofort, dass er nicht singen kann? Er trifft die Töne. Er hält und betont sie nur anders. Aber es sind keine schiefen Töne, die er singt!

Der Künstler als Kunstwerk? Töne zu treffen sind Minimalanforderungen und was das ‘anders betonen’ angeht, so dehnt Dylan die Wörter seines Sprechgesangs oder verändert die Stimme nach oben gerade deswegen, weil er sie eben singend nicht halten kann. Da wird er dann leider oft zum leiernden Moritatensänger.

Wie oben schon geschrieben, Dylan hat nicht alles neu erfunden, aber vieles weiterentwickelt. Und darum geht es doch. Deine aufgezählten Folk-Musiker bewegten sich in dem folktypischen Spielraum. Dylan hingegen vermischte den Folk mit anderen Aspekten. Sei es musikalische oder persönliche Aspekte. Und das ist das Besondere, von dem alle weiteren Musikgenerationen profitierten.

Zur einsamen Pionierarbeit von Dylan wäre anzumerken, dass er gar nicht so alleine war. Es gab Pete Seeger, The Kingston Trio und Peter, Paul & Mary, The Seekers, Harry Belafonte u.a., die Folk mit Pop verbanden. In seiner Autobiographie CHRONICLES erwähnt Dylan jenes Kingston Trio als frühen Einfluss. Letztere verbanden bereits vor Dylan Pop und Folk und beeinflussten damit viele Musiker (u.a. Gram Parsons, Stephen Stills, Gene Clark, Harry Chapin, Tim Buckley, The Bee Gees).

Und dann wären auch noch jene Impulse und Einflüsse der Beat-Poeten (Burroughs, Ginsberg, Kerouac, Ferlinghetti – und auch die wiederentdeckten Rimbaud und Baudelaire) zu nennen, die keineswegs die Qualität von Dylans Songtexten schmälern sollen, aber doch zeigen, dass auch Dylan selbst unter deutlichem Einfluss stand, was den Umgang mit freieren, assoziierenden, kritischen Songtexten und Ausdrucksformen betrifft. Auch Dylan waren ja diese Poeten nicht unbekannt; Dylan Thomas nicht grundlos Namensgeber für Zimmermans Pseudonym.

MozzaIch komme mir hier vor wie bei den bibeltreuen Christen, meine Güte.

Ja. Es geht hier zu wie in einem Religions-Seminar über einen anderen berühmten Zimmermann. Dabei soll ja niemandem seine Begeisterung ausgeredet oder Dylan-Jünger in ihrer Glaubensfestigkeit geprüft werden, aber manches klingt dann doch sehr nach heiliger Schrift und Messe mit Abendmahl.
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