Startseite › Foren › Kulturgut › Clips & Videos › Videoclips und Popmusik – Eine verhängnisvolle Affäre? › Re: Videoclips und Popmusik – Eine verhängnisvolle Affäre?
McGeadyWa hälst Du allgemein von Musikvideos? Gibt es welche, die Du als besonders gelungen erachtest?
Videoclips schienen anfangs eine gute Idee zu sein, als Visualisierung von Songs, und es gab auch eine ganze Menge durchaus gelungene (Beispiel: „Pontiac“ von Lyle Lovett). Doch begann sich das bald zu verselbständigen, wuchs sich zu einer eigenen Industrie aus, die Prioritäten verkehrten sich. Die Musik trat hinter ihre Promotion zurück, die Produktion des Clips verschlang ungleich mehr Geld und Aufmerksamkeit als die Produktion des zu bewerbenden Tracks, aus Musikhörern wurden Musikglotzer. Wer ein wenig Einblick bekommt in die Dynamik karriereplanender Maßnahmen der Musikindustrie, dürfte ob der dort waltenden profanen Zweckrationalität und des oft unverhohlen zur Schau gestellten Zynismus ziemlich ernüchtert sein. Und wer sich seine Freude an Musik bewahren möchte, tut gut daran, sich eben darauf zu konzentrieren, die Verwertungsmechanismen als solche zu erkennen und entsprechend geringzuschätzen. Bei mir kommt erschwerend hinzu, daß das Clip-Unwesen eine schlimme Allergie ausgelöst hat, gegen jede Art von Synchronhüpfen. Ein furchtbares Feature in zahllosen Clips, um die ich schon deshalb einen großen Bogen mache. Unterm Strich leidet die Musik eher durch die Übersetzung in laufende Bilder, weil sich Bilder unweigerlich einprägen und man sich nur schwer auf Musik einlassen kann, solange sie sich beim Hören aufdrängen. Eine Ablenkung auf jeden Fall. Es ist wie bei der Literaturverfilmung: hat man den Film gesehen, wird die Lektüre nicht mehr die eigene Fantasie so beflügeln können als ginge man völlig unbelastet von vorgegebenen Bildern an die Buchstaben heran. Images vor Imagination. Das mögen für die meisten Kulturkonsumenten müßige Gedanken sein in Zeiten von YouTube, ich spreche da nur für mich.
--