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FletcherHast du schon was zum neuen Album geschrieben? Ich geh da nämlich mit Albert Koch konform, ich verstehe nicht was daran so besoonders ist.
Nein, bisher nicht. Mir fehlt derzeit meist leider etwas die Muse für größere Besprechungen (hat aber im Grunde nichts mit Forumsverdrossenheit oder derartigem zu tun). Ein paar Zeilen will ich dann aber doch beisteuern.
Mein Eindruck ist, auch wenn es widersprüchlich klingt, eine Mischung aus jenen von Go1 und captain kidd – that said, ich nehme „Channel orange“ als ungemein vielseitiges, behutsames und allemal pointiertes Werk wahr. Ocean schöpft aus einem großen Farbkasten, es gibt ausladende Arrangements, die zeitweise auch sehr bewusst zerfassern (etwa in „Pyramids“), nebst einigen Songs mit großartigen Melodielinien („Sweet life“ oder „Thinkin about you“ und natürlich „Lost“) – was mich dabei begeistert, ist aber auch die konzeptionelle Dichte: „Channel orange“ gelingt als Gesamtkunstwerk. Auf brodelnd schwer drückenden Bässen geistert das Album durch die Nacht und bricht sich folgend selbst in einem Jingle aus verhuschten Radioaufnahmen und Videospielklangästhethik. Die Fernlichtstrahler des holpernden „Crack rock“ verblassen in aufschnellenden Stadionbeats zehnmintüger Klangwerke aus Pop und Soul und Psychedelica und Prog unbestimmter Herkunft. Ein wehmütig geklagtes „Pleasure, pleasure, pleausure“, das einem nach und nach das Herz ausrenkt, wird durch einen trockenen Beat überlagert und so ein wenig verschreckt einen zuweilen dann der bestechende Humor des Frank Ocean, der im Anschluss auch noch besonnen ums Viertel schlendert und mit dem Wissen um viele dunkle Nächte („My fingertips and my lips/They burn from the cigarettes“) ausgelassen ausladend zu pfeifen beginnt. Ist doch was.
Makellos finde ich „Channel orange“ allerdings nicht – manche Songidee verpufft unter dem Gewicht von zuviel Gewolltem, andere wirken etwas deplatziert und wieder andere wollen sich dann doch einfach nicht festsetzen. Ein Manko sind tatsächlich auch die Interludes, die mir, ähnlich dem Hantieren mit ausblendenden Effekten incl. verstecktem Bonustrack mehr wie eine Fingerübung erscheinen. „Gehört halt dazu“, war mein erster Gedanke. Aber auch Oceans generelle Neigung teils zuviele Sound- und Gesangsschichten übereinander zu lagern, errichtet der Dramatik und Intensität zuweilen Deiche und Dämme, sodass der mithin schönste Moment des bisherigen Jahres wohl auch stattfindet, wo nur eine überstrahlende Orgel und ein paar Handclaps die Szene umranden („Bad religion“). „Taxi driver, be my shrink for the hour…“ – überwältigend.
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Hold on Magnolia to that great highway moon