Re: Ich höre gerade … Jazz!

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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gypsy tail windNun, das war ja klar :-)

Ich will eigentlich nicht streiten, aber da Du schon so fragst: doch, bei mir kam es manchmal schon etwas so an, als hieltest Du Deine Position des wählerischen oder zufälligen oder ausgewählten oder nicht-enzyklopädischen Hörens (ich weiss nicht, welches Attribut es am besten trifft und will nicht weitere Unterstellungen tätigen, „zufällig“ meine ich auch nicht herablassend, es sind ja z.B. oft sowas wie Zufälle, die uns zu einem ersten Album eines Musikers führen, ein Hinweis von jemandem, dem man vielleicht gar nicht nachgehen wollte aber dann genau das Ding im Regal sieht, dass man genau dann das Radio eingeschaltet hat, als … lief etc.) … jetzt ist der Satz entgleist, was ich sagen wollte: leicht moralisierend kam das manchmal schon bei mir an. Mag aber auch sein, dass ich – da ich bei sehr vielen Musikern (meinetwegen: insgesamt – aber das stimmt dann natürlich im Detail auch wieder nicht) den entgegengesetzten Weg gehe und das Werk möglichst umfassend kennen möchte.

Wenn Du sagst, danndass das nicht so intendiert sei, glaube ich Dir das noch so gerne, möchte aber einfach – leise und freundschaftlich – darauf hinweisen, dass die Aussenwahrnehmung in meinem (und ev. in vorgartens) Fall dem nicht immer gänzlich entspricht.

Ich will auch nicht streiten und ich verstehe, dass man das, was ich sage, auch mal in den falschen Hals bekommen kann. Ich provoziere ganz gerne mal, ohne dass ich damit jemand anderen herabsetzen möchte. Ich spiele halt ganz gerne den Störenfried, einfach um eine Reaktion zu provozieren. Tut mir leid, wenn das manchmal falsch ankommt.

Ich nehme mich, nicht nur was meine musikalischen Vorlieben betrifft, ja selbst auch nicht allzu ernst und die Tatsache, dass bei mir im Regal nur durch einen Regalboden voneinander getrennt Keith Jarrett neben AC/DC (letztere sogar zweifach, aber nur mit Bon Scott ;-)) steht, als eine Provokation meiner selbst. Ich misstraue halt leicht vermeintlichen Gewissheiten und behaupte schon aus Prinzip das Gegenteil.

Keith Jarrett ist für mich ein wenig mit der Aura des lebenden Unesco-Welturerbes belastet, was für mich ein unvoreingenommenes Hören schwierig macht und bei mir Misstrauen erweckt. Aber gerade deswegen bin ich ja umgekehrt von At The Deer Head Inn so angetan, weil sie mir A) mal zufällig in die Hände fiel, weil da B) all dieser Kulturballast abgeschüttelt wird, weil es C) da kein Konzerthaus gibt, weil das D) keines der anerkannten Großwerke ist, weil da D) Keith Jarrett laut mitsummt und das Publikum – noch – trinken und plaudern darf und am Ende E) auch noch dieses Auto vorbeifährt. ;-) Und natürlich, weil das tolle Musik von einem hier völlig entspannt, spontan und ohne die Ambition zu einer großen Kulturleistung spielenden Trios ist, das aber ganz nebenbei genau das dadurch erreicht!

Immerhin ist es mir hier gelungen eine Diskussion über Keith Jarrett auszulösen. Ist ja schon mal was wert.

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)