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Die nächsten Sessions fanden wieder unter Rollins‘ Namen statt, Anfang Oktober und Anfang Dezember für Prestige, dann Mitte Dezember für Blue Note. Bei der ersten Session kehrte der erste Ersatzpianist zurück, Wade Legge, ein guter aber völlig unbekannter Pianist, der u.a. auch mit Dizzy Gillespie und Mingus gearbeitet hatte. „Sonny Rollins Plays for Bird“ präsentiert die Gruppe mit Material, das nicht zum regulären „book“ gehörte – Standards und Originals aus dem Repertoire von Charlie Parker, aber auch ein grosses Balladen-Showcase in „I’ve Grown Accustomed to Her Face“ zum Auftakt, sowie Rollins‘ Original „Kids Know“.
Im Dezember wurde das Kerntrio – Rollins/Morrow/Roach – durch Kenny Drew zum Quartett erweitert, „Tour de Force“ hiess das Album, das den Grossteil seiner letzten Prestige-Session enthielt. Wir hören den für Rollins inzwischen üblichen Mix aus Originals und Standards, letztere meist rare Exemplare, oftmals Songs, welche er erst für den Jazz entdeckt hatte.
Ein paar Jahre später legte Prestige noch „Sonny Boy“ nach – die Kuh musste wie üblich bis über den letzten Tropfen hinaus gemolken werden. Das hiess in dem Fall: die drei Originals von „Tour de Force“ recyclen und je ein zuvor unveröffentlichtes Stück von den beiden Sessions draufpacken, „The House I Live In“ (im Stil des Miles Davis Quintetts über einen Two-Beat präsentiert, Rollins unheimlich charmant) vom November und „Sonny Boy“ vom Dezember. Die beiden Tracks gab es später natürlich als Bonustracks auf den CD-Reissues der zwei Alben, aber auch „Sonny Boy“ wurde in Fantasys Original Jazz Classics-Reihe nochmal aufgelegt (auch auf CD, was dann ja schon etwas absurd ist).
Die kommenden beiden Jahre nahm Rollins weiterhin Unmengen von toller Musik auf – mit Roach und auch ohne Roach. Er schloss keinen Exklusivvertrag mehr ab sondern veröffentlichte Alben bei Blue Note, Riverside, Contemporary, Metrojazz und Period. Das erste Album dieser zweiten Hälfte von Rollins‘ erster grosser Phase erschiend bei Blue Note, „Sonny Rollins“ oder auch „Sonny Rollins Volume One“ (da war Blue Note ja notorisch inkonsistent, in diesem Fall scheint „Volume One“ sich erst später eingebürgert zu haben, als es eben auch ein „Volume Two“ gab). Diesmal war keine klassiche Roach-Combo am Werk, aber Rollins und Roach waren ebenso dabei wie der Trompeter Donald Byrd, der ja als Nachfolger von Clifford Brown mit der Combo gespielt hatte. Die beiden weiteren Musiker waren Wynton Kelly (ich bilde mir ein, einige Parallelen zwischen ihm und Richie Powell zu hören) und – seltsame Wahl, aber das gab’s damals bei Blue Note ebenso wie Prestige noch ab und zu – Gene Ramey am Bass, der Kansas City-Musiker, der u.a. mit Lester Young und Jay McShann gespielt hatte – aber eben auch mit Charlie Parker, Thelonious Monk (mit dem er für Blue Note auch aufgenommen hatte) und Miles Davis. Das Repertoire besteht dieses Mal fast nur aus Originals. Neben vier Rollins-Kompositionen ist die einzige Fremdkomposition „How Are Things in Glocca Morra“, ein Song von Burton Lane/Yip Harburg. Nicht Rollins‘ feinste Stunde (von den Blue Notes zählt da erstaunlicherweise ja eigentlich eh nur der Mitschnitt aus dem Village Vanguard dazu, Rollins war keiner, der unter Lions Fittichen mehr aufblühte als anderswo, eher im Gegenteil scheint mir) aber ein weiteres schönes Album aus einer Phase, als Rollins grundsätzlich alles zu gelingen schien.
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