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Ich verstehe sehr gut, woher Du da kommst soulpope! Meine Bedenken hinsichtlich Brubeck waren allerdings – und das merkte ich doch recht früh – nachgeplappert und hatten für mich nie eine Bedeutung. Wenn ich sagte: „ich höre Brubeck, weil ich mehr von Desmond hören will, als es von ihm als Leader halt gibt“, dann war das eben eine schale Notlüge, weil es nicht cool war zu sagen: der Typ mag manchen ob seines kommerziellen Erfolgs suspekt scheinen (dass er sich nie verbogen hat, wollen die üblichen Verdächtigenden ja meist nicht sehen), er mag mit seiner Brille und Frisur und den karierten Hemden wie die Karikatur eines Lehrers aussehen (analog Desmond der Buchhalter, er hatte sicher eine dieser dunkelbraunen abgewetzten Aktenmappen oder? irgendwo muss der Brandy ja drin sein ;-)) …
Bei Peterson lag der Fall anders, den mochte ich effektiv nicht, lernte ihn eigentlich schätzen durch einen Austausch mit einem Pianisten/Keyboarder, der mir zwar nicht ermöglicht hätte, mit anderen Ohren zu hören, aber der mich dazu brachte, so viel zu hören und nicht gleich wieder aufzugeben, bis ich Peterson wirklich sehr gerne mochte (davor hätte es allenfalls die Möglichkeit der Ausrede mit Barney Kessel gegeben, der ja sonst wirklich nicht den grossen Haufen toller Platten gemacht hat, die Contemporarys sind mir meist zu zerstückelt, zu flute’n’oboe-lastig, zu sehr dümmliches Konzeptalbum (die Shelly Manne/André Previn Musical-Alben funktionieren z.B. sehr viel besser, weil das halt gradliniger, sehr swingender Piano-Trio-Jazz ist).
Nochmal zum Brubeck Quartet, die zwei anderen, Eugene Wright und Joe Morello, verdienen natürlich Erwähnung, klar! Morello ist ja wirklich einer der grossen seines Faches, was leider noch immer gerne übersehen wird (analog Ed Thigpen, auch wenn er einst die Bossa Nova-Prüfung wiederholen musste ;-)). Aber wie schon gesagt, die allerschönsten Brubeck/Desmond-Aufnahmen sind wohl jene auf Fantasy, ca. 1950-53 – da sind die beiden noch nicht dabei, die Rhythmiker wechseln ein paar Mal, nicht alle sind wirklich gut (aber adäquat sind sie schon) … jedenfalls bewegen Brubeck und Desmond sich da noch gänzlich ausserhalb der – selbst geschaffenen – Schablonen, die sie später bei Columbia manchmal (manchmal!) etwas in ihrer Beinfreiheit einzuschränken scheinen. Es gibt wirklich eine Menge bezaubernder Momente – aber wie gesagt, in der Sendung werden ein paar davon zu hören sein.
Auch den Milhaud-Einfluss wird es am Rande geben, wobei von den Octet-Aufnahmen diejenigen Stücke, die vermutlich wirklich früh enstanden sind (1946 oder so, auf jeden Fall vor „Birth of the Cool“) eher die schwächeren sind und in meiner Sendung auch nicht unterkommen werden … die Datierung ist da unsicher, man liest – was vernünftig klingt – für ein paar Stücke 1948, für den grossen Teil 1950. Brubeck hat da wohl nachträglich, auch im Wissen um die nicht vorhandene Dokumenation, ein klein wenig Geschichstklitterung betrieben, weil es halt schon sehr cool ist, dass ein paar College-Jungs in Kalifornien sowas ähnliches wie „Birth of the Cool“ avant la lettre gemacht haben … und es IST auch hübsch, was sie machten, wie die (eben etwas später entstandenen) Aufnahmen (teils auch von später entstandenen Stücken) auch zeigen. Das ist jedenfalls frischer als fast alles, was später an „third stream“ an Ungelengigkeiten entstand (oft mit viel Pomp, davon gar nichts bei Brubeck und seinen Leuten).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba