Re: Ich höre gerade … Jazz!

#8491561  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 69,355

FriedrichIst mir natürlich 100 % klar, dass Du weißt, wer Take 5 geschrieben hat! ;-)

Ich kenne nicht viel von Brubeck (auch nicht von Desmond), nur das übliche Verdächtige. Time Out, die Time Signatures-Box von Columbia, ich glaube ich habe aber auch noch ein paar Vinyls älterer Bauart im Schrank stehen. Muss mal schauen. Von Desmond halt die Sachen mit Brubeck, die Platte mit Mulligan, eine mit Hall, eine Platte auf CTI und dies und das verstreute. Na ja, das kommt schon ein bisschen was zusammen. Alles sehr schön.

Brubeck war wohl auch einfach der besser organisierte Bandleader und Geschäftsmann, während Desmond eher den Bohemien gab. In wie weit war Desmond gegenüber Brubeck der Hinterletzte?

Gioia erzählt die Story der Anfänge recht ausführlich … Brubeck wuchs in der totalen Isolation auf einer Farm auf (die Mutter war Konzertpianistin, der Vater anscheinend ein native american), ging dann aufs College, lernte (neben Dave Van Kriedt und ein paar anderen) u.a. bei Darius Milhaud … mochte Jam Sessions nicht, war der Aussenseiter, der dann aber mit seinem Klavierspiel alle überraschte … 1951 oder so hatte er einen beinahe tödlichen Umfall und musste das Klavierspiel neu erlernen (erst danach hört man das typische Brubeck-Spiel mit diesen Block-Akkorden, manchmal fast Wagnerianisch) … Desmond war anschienend alles ausser der geborene Leader, spannte Brubeck aber die Band aus, mit der Brubeck auch versuchte ihn (Desmond) über Wasser zu halten und sowas … hab das nicht präsent, aber die beiden rauften sich jedenfalls wieder zusammen bzw. Brubeck war wohl einfach ein herzensguter Typ, dem man fast alles antun konnte … lustigerweise scherte er sich ja stets einen Dreck darum, was das Publikum wollte, erwartete, und feierte dennoch grösste Erfolge … egal was man von der Musik halten mag, Brubeck als Typ scheint wirklich gut zu sein.

Die frühen Fantasy-Aufnahmen gibt es auf zwei recht gut gefüllten CDs:
http://www.allmusic.com/album/dave-brubeck-paul-desmond-mw0000690153
http://www.allmusic.com/album/stardust-mw0000309382

Dazu die phänomenalen Konzerte aus Oberlin und dem College of the Pacific (letzteres wuchs auf zwei CDs):
http://www.allmusic.com/album/jazz-at-oberlin-mw0000191600
http://www.allmusic.com/album/jazz-at-the-college-of-the-pacific-mw0000187776
http://www.allmusic.com/album/jazz-at-the-college-of-the-pacific-vol-2-mw0000661583

Diese seltsame Compilation hingegen braucht kein Mensch:
http://www.allmusic.com/album/the-dave-brubeck-quartet-featuring-paul-desmond-in-concert-mw0000196587

Die Konzerte – besonders Oberlin – sind insofern besonders, als dass Desmond da auch wild drauflos boppt, dass er schnelle und schnellste Tempi spielt (die er erklärterweise nicht mochte) … die beiden Compilations enthalten auch Solos und Duos (bzw. Brubeck-Solos, ganz phantastische, auf denen Desmond am Schluss spontan noch kurz einsteigt) und manches davon ist ebenfalls live aufgenommen worden (vielleicht sogar das meiste, die Infos sind sehr lückenhaft, Fantasy war diesbezüglich wenig gewissenhaft).

A propos mit Brubeck konnte man alles machen: er war ja bei Fantasy quasi die Initialzündung und man hielt ihn im Glauben, Teilhaber zu sein … der Wechsel zu Columbia fand denn auch darum statt, weil er herauskriegte, dass er wohl nur Kohle bezahlte, ohne am Profit beteiligt zu sein … man trennte sich im Streit bzw. nicht in einem guten Verhältnis – aber so schlecht, als dass eine Rückkehr mit Alben wie „Re-Union“ (Brubeck, Breitenfeld, Van Kriedt und eine Rhythmusgruppe aus den Tagen vor Wright/Morello) oder zwei Alben mit Bill Smith (der auch zur alten Gang und den Milhaud-Leute gehörte) entstanden später wieder bei Fantasy.

Ich mag die Columbia-Alben nicht schlechtreden, „Brubeck Time“, „Time Out“, „Time Further Out“, „Red, Hot & Cool“, „At Carnegie Hall“, das Japan-Album und andere sind allesamt grandios, es gibt unzählige tolle Stücke, grossartige Desmond-Momente … aber als ganzes sind sie im Vergleich halt doch ein gutes Stück routinierter, haben weniger Ecken und Kanten, weil die Produktion insgesamt halt vorsichtiger gemacht, mehr Wert auf die ganze Präsentation gelegt wurde.

Auf StoneFM gibt es übrigens am 20. August eine v.a. den ersten Jahren Brubecks gewidmete Sendung :-)

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba