Re: Ich höre gerade … Jazz!

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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gypsy tail windSehr schönes Album, reiht sich direkt hinter den zwei berühmteren ein, wenngleich es stilistisch natürlich anders ist. Hätte jetzt gedacht, dass Du als CTI-Fan es längst kennst, wenn es sogar hier im Regal ist … wohl eins der letzten wirklich guten Hubbard-Alben.

CTI-Fan ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen: Ich entdecke CTI jetzt erst so richtig. Bislang bin ich aber noch von keinem CTI-Album enttäuscht worden. Ich kaufe aber auch sehr wählerisch. Die drei Freddie Hubbard Alben, die ich kenne (Red Clay, Straight Life, Keep Your Soul Together), sind hervorragend und so weit stilistisch verschieden, dass sie sich lohnen. Insofern bin ich neugierig auf die beiden, die ich noch nicht kenne: First Light und Sky Dive. Vielleicht hat Creed Taylor auch dafür gesorgt, dass er/seine Schützlinge sich nicht wiederholten? Auch meine drei Alben von Stanley Turrentine (Sugar, Salt Song, Don’t Mess With Mr. T.) sind ausgezeichnet.

In der Hinsicht lustig die Selbstbeweihräucherung von Didier Deutsch in seinem kurzen Kommentar im Booklet: „Before he signed with CTI Records in 1971, Freddie Hubbard had been a rising star, a remarkable trumpet player whose rare talent had attracted the attention of many fans, though he remained largely unheralded outside of jazz circles.“

Zwei Punkte:

1) Hat sich letzteres denn wirklich nachhaltig geändert? Und wenn ja, gab es eventuell, möglicherweise, nur so um in alle Richtungen zu denken (:teufel:) künstlerische Konsequenzen aus dem (herbeigesehnten) kommerziellen Grosserfolg?

Kaum ein Jazzmusiker ist dauerhaft außerhalb des jazz circles erfolgreich. Miles Davis, Keith Jarrett sind sicher die Schwergewichte, dann gibt es noch ein paar in den unteren Gewichtsklassen (Getz, Brubeck, McLaughlin, einige Sängerinnen etc. ff.) und dann ist aber auch schon Schluss. Creed Taylor wollte explizit auch den kommerziellen Erfolg, und in vielen Fällen hat er das auch erreicht. Er hat dafür seine Musiker aus deren damals schon etwas angestaubten Komfortzone des Hard Bop gescheucht und damit waren auch künstlerische Konsequenzen verbunden. In meinen Ohren klingen die aber durchaus erfreulich. Freddie Hubbard und Stanley Turrentine sind meines Wissens erst nach CTI ins seichte Fach abgedriftet.

2) Als Hubbard bei CTI unter Vertrag genommen wurde, war er auf der Höhe seines Könnens, bis wenigstens Mitte der Siebziger war er in phantastischer Form, wie – unveröffentlichte/inoffizielle – Live-Aufnahmen dokumentieren … auf Platte aber war 1971, nach dem dritten CTI-Album, mehr oder minder Schluss, auf Mittelmässigkeit folgte Entgleisung etc. pp., mit wenigen Ausnahmen (wobei akustische Alben wie „Outpost“ oder „Bolivia“ denn auch wiederum etwas seltsam anmuten, Freddie Hubbard goes neo-con … so richtig passt das in den 80ern und 90ern auch nicht mehr, womöglich war das ein Versuch, an die Traditionalisten um Wynetone Anschluss zu finden und – nochmal – die Sahne abzustauben?) – also: warum hat CTI die Chance nicht genutzt und auch mal die tollen Live-Bands von Hubbard dokumentiert? Betrifft natürlich auch die Nachfolgelabel, lieber Disco-Dreck (von dem ich mir wirklich nicht denken kann, dass er erfolgreich war, weder inner- noch ausserhalb der „jazz circles“) aufgenommen. Schade.

Auch FHs letztes Studio Album für CTI Keep Your Soul Together ist in meinen Ohren sehr gut. Der Abstieg begann erst danach. Es gibt meines Wissens zwei Live Alben von FH aus dieser Zeit, die ich aber nicht kenne. Ich bin aber auch der Meinung, dass CTI eher ein Label für Studio-Produktionen war. Man hört doch immer die Hand von Creed Taylor am Mischpult heraus, die Arrangements, die ganze Konzeption der Alben bis zur Covergestaltung. Irgendwo im Netz las ich eine Charakterisierung von Creed Taylor als record auteur.

Der Rettungsversuch in den sicheren Hafen des Hard Bop Mainstream in den 80er und 90ern? Da unterscheidet sich FH wohl nicht sehr von vielen anderen Jazz Musikern in dieser Zeit.

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)