Re: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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vorgartendas war schon immer so. ich bin kein sonderlicher fan von seinen kompositionen – manchmal gehen mir diese einfachen, getricksten hooks auf die nerven (weil sie sich so festsetzen – „bemsha swing“ z.b.). oft mag ich auch das unkommunikative an seinem spiel nicht, deshalb funktioniert seine musik im trio für mich auch am besten. zuletzt finde ich den mythos manchmal übertrieben – die ganze schrägheit ist ja am ende doch wahnsinnig gut konsumierbar. aber dafür kann monk ja nichts.

vielleicht hat es auch damit zu tun, dass er nie „in die fläche spielt“ – was clasjazz da über bley sagt, ist schon ganz richtig – jedenfalls liegt da ein großes potential des instruments.

auf der anderen seite bin ich der letzte, der monks originalität schmälern wollte. es gibt einfach nicht so oft das bedürfnis bei mir, ihn zu hören.

Danke für die Erklärung – wie „leicht“ Monk wann konsumiertbar war und ist, finde ich eine schwierige Frage. Ich brauchte ziemlich lange, bis ich de frühen Aufnahmen begriff, da brauchte es ein paar Jahre „Training“ mit Miles, Mingus, dem frühen und mittleren Coltrane und auch mit Riverside-Aufnahmen von Monk, der Session mit Miles und Milt Jackson, mit der Prestige Trio-Scheibe … und irgendwann gingen dann auch die frühen Aufnahmen, aber gewiss nicht auf Anhieb (ich war 14 oder 15, kann sein, dass das eine Rolle spielte, kann auch sein dass nicht).

Aber dass Monks Kompositionen allesamt aus einfachen „hooks“ bestünden, wäre mir schon eine viel zu reduzierte Aussage (ich weiss, Du machst sie nicht, aber Du erwähnst die andere Seite halt auch nicht). Auch dass sie „begrenzt variabel“ sind möchte ich hinterfragen. Andersrum gedacht haben sie personality, einen starken, eigenen Charakter, man erahnt meist innert Sekunden, dass das Monk sein muss. Das hat wohl in der Vollständigkeit auch ein Andrew Hill nicht geschafft, vermutlich auch nicht Ellington, obwohl … Herbie Nichols vielleicht noch? Das ist jedenfalls im Jazz ziemlich einzigartig – wenn es um die Personalstile geht, wäre das anders, klar, aber rein in Bezug auf das Kompositorische. Es fehlt so gesehen so sehr an Vergleichsmöglichkeiten, dass ich es schwierig finde, ein so deutliches Urteil zu fällen.

Aber klar, „Bemsha Swing“ wird immer mit den Red Hot Chili Peppers verbunden bleiben (… your little sister and your little brother / … your little puppy and your puppy dog :lol:) und gehört sicherlich zu den schwächsten von Monks Kompositionen. Andere, mich fasziniert andererseits aber gerade die Breite von Monks kompositorischem Schaffen: im einfachen „Blue Monk“ kommt seine personality ebenso rüber wie im gänzlich unkonventionellen und verdammt schwierigen „Criss Cross“. Und was soll man zu Balladen wie „Round Midnight“ oder „Reflections“ sagen? Schöneres hat im Jazz keiner geschrieben (gleich Schönes, ja). Oder „Crepuscule with Nellie“? Oder dann die Reduktion in verschiedenen Spielweisen: „Thelonious“ oder „Misterioso“, letzteres eine verdammte Idee, aber eine brillante – und eine, die mich auch nach all den Jahren immer wieder verblüfft.

Was das Format betrifft, so glaube ich gerade, dass Monk auf gute Partner angewiesen war. Klar konnte er phantastische Solo-Aufnahmen machen (aber auch da: das erste Album aus Paris bleibt wohl das definitive, auch wenn „Thelonious Alone in San Francisco“ nicht weit dahinter steht, es ist noch etwas spröder und er spielt ein tolles Programm), klar war er anfangs auch im Trio gut (nicht erst bei Prestige sondern auch schon bei Blue Note … die Riverside-Trios finde ich dann wie gesagt etwas schwächer, bei Columbia gab es ja nur noch gelegentliche Trio-Stücke, zur Variation sicher eine gute Idee, aber das Format nochmal voll auskosten wollte er wie es scheint nicht). Die starken Partner waren Milt Jackson, Art Blakey, Oscar Pettiford, Sonny Rollins, John Coltrane … etwas weniger auch Johnny Griffin und später auch Charlie Rouse, irgendwie … und gute Rhythmiker waren auch sonst hilfreich, Shadow Wilson und Wilbur Ware besonders, aber auch die anschliessende Rhythmusgruppe mit Ahmed Abdul-Malik und Roy Haynes, und später nochmal Frankie Dunlop, und irgendwie ja auch Ben Riley (und Sam Jones und Billy Higgins waren auch mal dabei, von Art Taylor bin ich ja nicht der grösste Fan, der spielt für meine Ohren eher einfach mit bei Monk, wie auch anderswo, aber es gibt schon die eine oder andere Aufnahme, wo ich ihn stärker finde).

Mit Mythos und Schrägsein hat das alles noch nichts zu tun (abgeseen von der innermusikalischen Schräge oder Schieflage, die doch immer reinspielt) – damit tue ich mich auch eher schwer.

redbeansandriceich hab zuletzt immer mal wieder das (damals nicht erschienene) „Vorgängeralbum“ „Gulf Coast Jazz Vol 1″ gehört, das ist auch sehr gut, schöner Artikel dazu

Danke, kenne ich natürlich nicht. Die andere kam auch erst gestern, seit Jahren auf der Liste gehabt … Black ist wirklich stark, kein Wunder, dass der – auch etwa in dieser Zeit – bei Lateef auch mal noch etwas exponierter war. Ansonsten ist Papa Marsalis okay, aber mehr auch nicht, es ist Perillat, der das meiste stemmt, und er macht das ziemlich gut, manchmal etwas gar nah an Coltrane (ein Solo klingt quasi wie die verdichtete Quintessenz von „Giant Steps“, der späte Coltrane ist noch nicht wirklich da, aber dass Coltrane wie ein übermächtiger Schatten über ihm lauert, scheint mir ziemlich klar). Aber insgesamt ein wirklich schönes Album – die Band ist wohl besser als die Summe ihrer Einzelteile!

Und hi Gesch, kenne Dich zwar noch nicht, aber herzlich willkommen!

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba