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Ich bin wieder bein Parker in Montréal – und er scheint mir in sehr guter bis bestechender Form zu sein. Eine Passage aus dem Booklet:
SunenblickBy 1953, Charlie Parker was scuffling, heavily addicted to heroin, with a reputation for unreliability. He was sharing a basement apartment on the Upper East Side of Manhattan with other musicians and working only sporadically. Nevertheless, recorded evidence of radio broadcasts from New York City clubs, such as Birdland, reveal that he was playing at a consistently high level. His impact on those who witnessed his playing during this period was phenomenal and brings to life the „Bird Lives“ graffiti epithet. What to Parker was merely another appearance dictated by his need for a steady cash flow became an event to those who came into contact with him.
Die CD dokumentiert nicht nur „part of Montral jazz love“ (Sunenblick) sondern fügt auch der kargen Diskographie von Valdo Williams ein paar wenige Stücke hinzu – leider stellte Parker bei den Soli der Sidemen (in „Ornithology“ und „Moose the Mooche“) teils den Tape-Recorder ab und leider ist Dick Garcia (ein überaus hörenswerter Gitarrist) sehr schlecht zu hören (das comping von Williams ist lauter als die Gitarre, die wohl – weil sie ja eh schon verstärkt war – nicht in der Nähe irgendwelcher Mikrophone placiert war). In „Cool Blues“, dem mit siebeneinhalb Minuten neben dem Closer „Now’s The Time“ (mit Steep Wade am Piano) längsten Stück gibt es jedoch ein Piano-Solo von Williams, und die vierte und letzte Nummer des ersten Segments der CD ist dann ein Quartett-Feature (mit Williams und Garcia sowie der Rhythmusgruppe mit Hal Gaylor-b und Billy Graham-d) über „I’ll Remember April“. Danach wechselt die Rhythmusgruppe, der Hauspianist des Chez Parée (der anschliessend als Begleiter von Frank Sinatra fungierte), Steep Wade, sowie Bob Rudd (b) und Bobby Malloy (d) übernahmen, Garcia war weiterhin dabei.
Zwei Tage früher war Parker schon im Chez Parée aufgetreten, wo The Jazz Workshop, eine Non-Profit-Organisation, die 1951 von Keith White und Paul Bley ins Leben gerufen wurde, Konzerte veranstaltete. Ihnen war es gelungen, Parker überhaupt nach Montréal zu locken. Die letzten vier Stücke der CD stammen von einem TV-Auftritt, an den Bassist Neil Michaud Parker direkt vom Flughafen gekarrt hatte. Paul Bley sitzt am Klavier, Dick Garcia und Brew Moore sind ebenfalls dabei, dazu ein New Yorker Drummer namens Ted Paskert.
Am Tag dazwischen verpasste Parker übrigens einen geplanten Auftritt anderswo, am dritten Tag (von dem der Grossteil der CD stammt) weigerte er sich zu spielen, bevor er nicht an Heroin kam. Allerdings spielt er verdammt gut und die Rhythmusgruppen scheinen förmlich mit ihm zu wachsen (ein Effekt, den auch Musiker wie Lester Young oder Miles Davis auslösen konnten).
Von meiner Seite jedenfalls eine äusserst willkommene Ergänzung der Parker-Diskographie!
Zu den Sidemen gibt es im Booklet kurze Texte – der einzige der Kanadier (von Bley abgesehen), der einigermassen eine Karriere hinkriegte, war wie es scheint Hal Gaylor (Chico Hamilton, „The Trio“ mit Walter Norris und Billy Bean, Begleiter von Tony Bennett als Mitglied des Ralph Sharon Trios, regelmässige Auftritte u.a. mit Carol Sloane, Chris Connor, Mel Tormé, Anita O’Day … Billy Graham spielte mit Louis Metcalf, Bobby Malloy von 1957 bis 1964 mit Paul Anka, Neil Michaud ging nach Europa, wo er ohne Aufenthaltsbewilligung zwischen Paris und Kopenhagen hin und herwechselte, mal einen Monat Bud Powell begleitete und auch wieder auf Brew Moore traf … Bob Rudd ist auf der Aladdin-Session von Helen Humes und mit Gerald Wilson zu hören (er lebte 1943-46 in Kalifornien) … Harold „Steep“ Wade stammte aus den West Indies und war ein Vorbild von Oscar Peterson, hatte ebenfalls bei Metcalf gespielt und ist eine legendäre Figure des Montréal Jazz – er starb im Dezember 1953 an einer Überdosis … Valdo Williams lebte von 1949 bis ca. 1956 in Montréal, spielte als Ersatz für Wade und dessen Ersatz Sadik Hakim ebenfalls bei Metcalf, folgte Oscar Peterson nach in der Alberta Lounge und hatte schon früher in New York mit Parker gespielt. Nach seiner Rückkehr nach New York spielte er mit Lester Young, Freddie Hubbard, Dave Amram, 1968 nahm er sein einziges Album auf, „New Advanced Jazz“ (Savoy), eine sehr feine Scheibe – im Jahr darauf konnte er nicht mehr Klavierspielen (warum genau weiss ich nicht, jedenfalls begann er nach einer Operation 1989 wieder zu spielen, scheint aber nach 1969 nicht wieder aufgetreten zu sein …
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