Re: Ich höre gerade … Jazz!

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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vorgarten(…) mein interesse bei ra ist ja eher, ihn als musiker und konzeptionalisten ernst zu nehmen, in seiner zeit und in seiner szene, die ganzen fäden zu sehen, die ins arkestra rein und raus liefen, so eine knalltütige randfigur war (er) ja nicht, eher jemand, dessen zeit erst kommen musste, der aber trotzdem immer genug anbindungen an die große jazzerzählung hatte. im prinzip hätte das arkestra in den späten 1950ern auch kanon sein können und auf großen labels veröffentlicht werden.

Als Knalltüte habe ich Sun Ra nie gesehen, sicher aber lange Zeit als exzentrischen outsider, der in einer fremden und aufregenden Welt lebte. Ist ja auch nicht ganz falsch. Meine erste Sun Ra Platte war Blue Delight, ein Spätwerk von 1989. Übrigens mit A&M auf einem (zu jener Zeit) großen Label veröffentlicht. Mich irritierte damals, dass die Musik darauf entgegen meinen Erwartungen vergleichsweise konventionell ist, heute könnte man vielleicht sagen, reichlich „anbindungen an die große jazzerzählung“ hat – die ich damals aber noch gar nicht kannte. Heute mag ich die Platte sehr gerne, und ich werde ja auch nicht müde zu erwähnen, dass ich Sun Ra (auch) für einen großen Traditionalisten halte. Wobei in der großen jazzerzählung ja auch eine Utopie, ein fremde und aufregende Welt, immer mit drin ist.

Ich weiß nicht, ob seine Zeit erst kommen musste. Er hatte in seiner Zeit mehr als genug Anlass, Utopien musikalischer und andere Art zu entwickeln. Dass er damit damals beim Publikum nicht den großen Anklang fand, liegt in der Natur von utopischen Vorstellungen – und die sind bei Sun Ra vom Planeten Saturn wirklich utopisch! Eigentlich muss Sun Ra immer ein Utopist und Fantast bleiben und darf niemals im mainstream ankommen. Das würde dem Prinzip Sun Ra – falls es denn sowas gibt – eigentlich widersprechen.

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)