Re: Ich höre gerade … Jazz!

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friedrich

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gypsy tail windKlar habe ich die Ironie verstanden, aber wenn Du nachschiebst, Kirks Musik sei die „menschliche Komödie in Musikform“ regt sich eben gleich schon wieder die Lust zum Widerspruch. Solche Etikettierungen setzen den künstlerischen Wert etwas herab, wenigstens empfinde ich das so (das will ich Dir allerdings nicht unterstellen, eher scheinen wir da im Sprachempfinden auseinanderzugehen – so möge dies als Erklärung dienen, dass ich den „Musikclown“ nach einigen Stunden eben doch noch aufgreifen, nicht gänzlich unwidersprochen stehen lassen mochte).

Ich habe mich wohl missverständlich ausgedrückt: Das mit der menschlichen Komödie war ein Anspielung auf Honoré de Balzacs Romanwerk, das ich zwar nicht gelesen habe, von dem ich aber annehme, dass er dort nicht nur ein Spiegelbild der damaligen Gesellschaft entwirft, sondern auch das menschliche Leben in all seinen Schattierungen beschreibt, mit allen Aufs und Abs, der Tragik und der Freude, den Irrungen und Wirrungen und der Hoffnung und den Enttäuschungen – kurz: allen Absurditäten und Widersprüchen – die es mit sich bringt. So ähnlich höre ich RRK: Er spielt seinen eigenen Begräbnismarsch, Kinderlieder, himmelhochjauchzenden Gospel, Oldtime-Jazz und Avantgarde, mal klingt er albern, mal tiefsinnig, mal voller Lebensfreude, mal tief traurig, mal furios mal zärtlich, mal kindlich und mal wie ein todkranker Mann – der er am Ende ja auch war.

Es gibt auf seinem letzten Album Boogie-Woogie String Along For Real von 1978 eine nur 1:40 min lange Aufnahme von Summertime, die man leicht als Bagatelle abtun könnte. Aber sie ist großartig. RRK ist da wohl schon gesundheitlich hinfällig, spielt nur von einer Spieluhr (?) begleitet Harmonika, hat offenbar Schwierigkeiten mit der Atmung, kommt ins Holpern und es hört sich so an, als finge er gleich an zu Schluchzen und ihm bräche die Stimme weg. Gerade wenn man den Text des Liedes kennt („fish are jumping and the cotton is high“) und wenn man weiß, was für ein Virtuose RRK eigentlich war, wirkt das in seiner Widersprüchlichkeit so traurig, dass ich dabei fast feuchte Augen bekomme. Das ist es!

Hier kann man einen Ausschnitt davon hören.

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)