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soulpopegypsy, ich denke die Fragestelllung war schon eine Andere, den Vorgarten sagte „für mich ist die bass- und jazzgeschichte ohne carter gar nicht denkbar“ und da haben ich nach Gründen dieser Sichweise gefragt………
sollte die Antwort darin liegen, daß er im Miles Davis Quintet gespielt hat…so ziehe ich mich gleich wieder in mein Körbchen zurück denn das ist für mich aus der Sicht „des Bassisten stand alone“ kein zwindendes Argument
Klar ist die Frage erlaubt – meine Antwort fiel viel zu knapp aus, da ich vorhin unterwegs war und das Schreiben auf dem Smartphone äusserst mühselig ist. Egal, ich meinte natürlich nicht das blosse Faktum, dass Carter Mitglied des second quintet war sondern, was er dort angestellt hat, und das hat vorgarten ja gerade sehr schön zusammengefasst – er war der Anker, der einzige Fixpunkt in einer Band von freischwebenden Radikalen:
vorgartenich kenne niemanden, der eine so in sich ruhende präsenz am bass hat und gleichzeitig so riskant spielt. jeder ton von ihm auf bspw. MILES SMILES ist unglaublich, und ein stück wie „masqalero“ auf SORCERER würde ohne ihn komplett auseinanderfliegen. oft ist er überhaupt der einzige, der das miles-quintet in der form hält – bzw. nur weil er so spielt, wie er spielt, können alle anderen auf volles risiko gehen (und wenn sie es nicht tun, macht er es…).
soulpopedamit wir hier nicht „Wasser treten“ zwei/drei mglw. offensive (hoffentlich die Diskussion belebende und vor allem Niemanden beleidigende) meinerseits Gedanken zu diesem Thema
1) Miles wollte einen Sound, der nicht „bass heavy“ ist und der Bassist der Crew ohne Anspruch auf Basssoli leben kann
2) Wie das Miles Davis Quintet der 60er „mit Bassist“ geklungen haben möge, kann man mit dem Konzert in Berkeley im April 1967 nachvollziehen, in welchem für den verhinderten Carter ALBERT STINSON einsprang…..
3) Shorter auf seinen Blue Note Aufnahmen Workman und McBee mglw bevorzugte, und Carter vielleicht aus dem gemeinsamen Engagement mit Miles heraus (sozialer Druck ?) auch für ein, zwei mal Carter platzierte (All Seeing Eye und Sothsayer, glaub ich jetzt aus der Erinnerung)
Das mit „ohne Bass-Soli“ ist so eine Sache … ist ja nicht immer nötig – wie gesagt, ich finde vorgarten hat die Bedeutung Carters für die Musik des Quintetts wie gesagt sehr gut herausgestrichen. Fairerhalber muss man im Hinblick auf die Aufnahmen mit Stinson (oder Richard Davis) sagen, dass es Carter war, der die Rolle definiert hat. Wenn ein anderer Einsprang, übernahm er wohl weitgehend auch diese Rolle – denn so funktionierte nunmal die Musik des Quintetts. Dass man ein Fünftel davon längerfristig austauschen kann ohne dass sich das Gesamtgefüge ändert, bezweifle ich – daher sind diese Aufnahmen kein wirkliches Zeugnis dafür, wie die Band geklungen haben könnte – dazu hätte es mehr Zeit bedarft und – ob das der Fall gewesen wäre, wissen wir alle nicht – des guten Willens der anderen drei, den Neuling aufzunehmen und ihm Raum zu geben, die Musik in „seine“ Richtung zu treiben. Müssig, diese Gedankenspiele, aber Spass machen sie, das ist schon klar! Mir geht es so, dass ich trotzdem ich Carter nicht zu meinen Lieblingsbassisten zähle, ihn für den idealen Bassisten des second quintet halte und diese Leistung eben allein seinen Rang im Bass-Parnass sichert.
Ein Luftballon, was Shorters eigene Alben betrifft: diese scheinen mir insgesamt – wenigstens bis hin zu „Adam’s Apple“ oder auch „Schizophrenia“ mit Ausnahmen (das Album mit Alan Shorter) viel strenger organisiert, auch die Kompositionen teils etwas starrer, weniger offen, manchmal auch etwas konventioneller (im Fall der Blues-Nummern) (Folgefrage wäre: inwiefern hat Alfred Lion hier die Richtung mitgeprägt bzw. Wünsche geäussert, denen Shorter entgegenkam? Lion liebte ja bekanntlich den Blues über alles.) — anyway: ist Carter in diesem „engeren“ Rahmen der falsche bzw. weniger gut geeignete Mann als eben McBee, der weniger Anker als Freischwimmer ist, um beim schiefen Bild zu bleiben? (Wo Workman sich da genau einfügt, weiss ich selbst nicht, ich kriege den oft nicht so ganz zu fassen, bei aller Wertschätzung.)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba