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Friedrich
Tony Scott – Music For Zen Meditation (1964)
Tony Scott: Klarinette, Shinichi Yuize: Koto, Hozan Yamamoto: Shakuhachi.
Wenn der Berliner seine Wohnung entrümpelt, folgt er gern dem guten alten Brauch, nicht mehr benötigten Hausrat einfach vor die Haustür auf den Gehweg zu stellen. Seine Mit-Berliner wiederum entsorgen das Gerümpel dann lustvoll, indem sie diese Sperrmüllkadaver wie die Geier ausweiden, bis davon nichts mehr zu sehen ist. Man kann auf diese Weise mitunter an Geschirr, Möbel, Bücher und anderes mehr oder weniger brauchbares Zeug kommen. Ich selbst bin so schon mal innerhalb von Minuten einen VHS-Recorder und einen alten Röhren-Monitor los geworden, habe umgekehrt aber auch schon mal alte Lautsprecherboxen erbeutet. Gegenwärtig steht bei mir gegenüber ein zerlegter Kleiderschrank auf der Straße. Gestern Nacht konnte ich beobachten, wie ein junges Pärchen auf dem Abendspaziergang ganz nebenbei die ca. 2,00 x 1,00 m große Spiegeltür erbeutete und nach hause schleppte.
Vor ein paar Tagen stand ein Karton mit alten CDs vor dem Nachbarhaus. Zum größten Teil unerträgliches Zeug („Mega Dance Party 2000“ oder so), aber dazwischen fand sich auch oben erwähnte CD. Ich hatte bislang keine Ahnung, wer Tony Scott ist. Aber kostet ja nix, dachte ich mir, und da habe ich sie einfach mal mitgenommen. Tony Scott – Music For Zen Meditation ist vielleicht die Erfindung der New Age-Musik, vielleicht die Erfindung der World Music, vielleicht aber auch die Neu-Erfindung der Ambient Music (nach Eric Satie und vor Brian Eno). Wenn ich mal über Songtitel wie Is All Not One? hinwegsehe, kann ich diese Musik jedenfalls sehr schön einfach im Hintergrund laufen und so eine sehr gelassene Atmosphäre im Raum verbreiten lassen. Musik wie Teetrinken.
Schöne Geschichte!
Tony Scott lohnt, hat als der lauteste Klarinettist des modernen Jazz angefangen, die Anti-These zu Jimmy Giuffre, wenn man will … es gibt tolle Live-Aufnahmen mit Bill Evans, Jimmy Garrison und Pete La Roca von 1959 (kein guter Klang, aber egal – die Muse-LPs heissen „Golden Moments“ und „I’ll Remember“, meine 32Jazz-Doppel-CD „At Last!“), es gibt „A Day In New York“ von 1957 auch mit Bill Evans sowie Henry Grimes bzw. Milt Hinton und Paul Motian und den Gästen Clark Terry, Jimmy Knepper und Sahib Shihab (bei mir eine alte Fresh Sound Doppel-CD, ich weiss nicht mal, wo und unter welchen Namen die Aufnahmen zuerst erschienen sind), es gibt das Verve-Album „Tony Scott“ von 1967 u.a. mit Attila Zoller, Richard Davis und Colin Walcott, oder seine wohl letzte Aufnahme im Jahr vor seinem Tod, „A Jazz Life“ (2006 u.a. mit dem ehemaligen Steve Coleman-Sideman Shane Endsley) … eigentlich müsste mal jemand eine angemessene Neuauflage all seiner verstreuten frühen Aufnahmen von Anthony Joseph Sciacca einrichten, leider bleibt da wie es scheint oft nichts anderes als der Griff nach Fresh Sound-CDs.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba