Re: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Mein vorgestriges „zuviel Ellington geht nicht“-Programm ging weiter mit:


Die „Private Collection“, zehn CDs mit Aufnahmen aus Ellingtons überreichem Fundus (manches verkaufte er irgendwann an Label, manches behielt er, es gibt wie es scheint noch sehr viel mehr Material, bei Storyville kam auch einiges heraus, was ich aber noch nicht kenne), überraschen immer wieder. Toll besonders, dass auf zwei der CDs (Vols. 3 & 7) sehr viel von Paul Gonsalves zu hören ist (nehme mal an, das Ellington Featuring Paul Gonsalves-Album, das ja aus derselben Zeit stammt, besteht auch aus solchen Privataufnahmen von Ellington). Privataufnahmen heisst hier übrigens nicht Amateuraufnahmen sondern Sessions, die Ellington selbst produzierte oder Konzerte, die er mitschneiden liess oder später an die Mitschnitte kam (die beiden Dance Sessions von 1958 – phantastisch! Dass Johnny Hodges da fehlt, fiel mir beim Hören überhaupt nicht auf, man hört ihn so oft, wenn mal andere im Mittelpunkt stehen, schadet das eigentlich kaum).

Details zum Inhalt der „Private Collection“ findet man hier:
http://www.depanorama.net/cds/pc.htm
Die Sessions kann man unter der entsprechenden natürlich dann auch einzeln anschauen, um die Reihenfolge der Stücke und die kompletten Line-Ups zu sehen.

Diese Aufnahme aus dem Basin Street East bietet vermutlich nicht viel mehr als Routine – aber bei Ellington ist auch das hörenswert. Amüsant ist die CD, weil zwischen den Nummern sehr viel geredet wird, Ellington mehr als seine üblichen Scherze macht, später wird ihm (von Joe Bushkin und Sy Oliver) noch irgendwelche awards überreicht … einer der Preise – es geht um irgendeinen Poll für das Jahr 1963 – geht übrigens and „Duke Ellington Meets Coleman Hawkins“, die Aufnahme aus dem August 1962 erschein also wohl mit einiger Verzögerung.

Die grosse Veränderung dieser Band gegenüber jener von ca. 1956-60 fnad im Posaunenregister statt, die phantastische Section von Quentin „Butter“ Jackson/Britt Woodman/John Sanders hielt ja leider nur ein paar Jahre, in den Sechzigern kehrte Lawrence Brown zurück („Rose of the Rio Grande“ ist sein Feature, auch im Basin Street East zu hören), neben ihm sind neu Buster Cooper (aus Las Vegas … und so spielt er auch, flashy, zupackend, zuversichtlich, aber gut!) und Chuck Connors dabei. Die Anzahl Posauensoli scheint sich deutlich reduziert zu haben (obwohl Brown ja früher der Mann für diese war, in den Zeiten als Tricky Sam auch noch dabei war und danach). Unter den Trompeten finden sich weiterhin regelmässig ein paar Stars ein, Cat Anderson und Cootie Williams vor allem, in der Zeit (1964) war Rolf Ericson in der Band, der vierte Mann Herbie Jones. Ray Nance fehlt, klar, der – das fiel mir die letzten Tage immer wieder auf – brachte wirklich sehr viel in die Band rein und gehörte zu den tollsten Solisten. Aber Cootie ist weiss Gott keine schlechte Alternative, schöner wäre nur, sie wären beide dabei (Willie Cook, der auch mal noch auftaucht, ist auch klasse, aber sein Stil war dem Duke wohl etwas zu modern als dass er gar oft hätte solieren dürfen … andererseits ist Ellington als Pianist ja verdammt modern, ich stiess neulich grad auch wieder auf dieses Zitat, als er zum ersten Mal Monk gehört hatte – einer seiner Sidemen spielte ihm eine Platte vor, 1948 oder so. Duke habe etwas gesagt wie: der spielt ja all mein Zeug – und so weit daneben lag er damit wohl nicht).

Auch das ein eher routinierter Mitschnitt (Konserthuset, Stockholm, 9. März 1964), auf dem allerdings die Suite „Harlem“ zu hören ist. Danach gab es noch die Konzerte aus Stuttgart von 1963 (12. Februar) und 1964 (12. März). 1963 war Ray Nance noch dabei (neben Cootie und Cat) und als vierter Mann Roy Burrowes, für den die Band natürlich auch mal kurz in einen Calypso-Beat wechselte (in diesem Band-Intros-Blues), sehr cool.

Überhaupt, Sam Woodyard zusammen mit Ellington und den Bassisten der Zeit – zunächst Jimmy Woode, der in Stockholm 1964 einsprang (er lebte damals wohl schon in Europa und Ernie Shepard war krank), danach Ernie Shepard und noch etwas später dann John Lamb – das sind klasse Rhythmusgruppen.

Das ganz grosse Highlight für mich ist allerdings die Reed-Section, die ja von Hodges‘ Rückkehr (1956) bis zu seinem Tod (1970) in unveränderter Besetzung existierte – die beste Reed-Section aller Tage: Russell Procope (cl, as), Jimmy Hamilton (cl, ts), Johnny Hodges (as), Paul Gonsalves (ts), Harry Carney (bari, cl, bcl) – einen solche Sound gibt es sonst einfach nirgends zu hören! (Die härteste Konkurrenz, die mir spontan einfällt, wäre wohl die Reed-Section von Clarke-Boland mit Humble/Griffin/Scott/Coe/Shihab, aber die Konstanz der Ellington’schen Reed-Section ist unerreicht und eben: der Sound auch).

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba