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Ne, ich langweilte mich da noch nie! Dorham ist hier so wunderbar wie nur selten, ein unglaublicher Ton!
„The Creeper“ gibt’s glaub ich nicht auf CD (wenigstens nicht in einer weit verbreiteten Ausgabe, in Japan gab’s sicher mal was), aber diese LT-Scheiben sind wohl nicht allzu rar, wenn Dir eine abeschnittene Ecke oder sowas egal ist. Vitous ist ja auch noch dabei und spielt sehr toll (muss ja ein mühsamer Typ sein, aber die ganz frühen Sachen von ihm sind sehr schön … heute kam auch seine „Infinite Search“ an – pinch kann also aufhören, skandalisiert zu sein
Vielleicht lege ich die nachher noch ein … aber jetzt weiter mit KD, Joe Hen und Butch:
Joe Henderson – Page One
Auch das eine tolle Scheibe, auf der Henderson und Dorham von McCoy Tyner – aus vertraglichen Gründen heisst er auf dem Cover „etc.“ -, Warren und Pete LaRoca begleitet werden. Hier herrscht ein ganz anderer Groove, irgendwie strenger und kontrollierter, was auch aun den Kompositionen liegt, von denen Henderson gleich vier, Dorham zwei beigesteuert hat. Die beiden des Texaners machen den Auftakt. Da ist zuerst „Blue Bossa“ – Schülerbands und anderen Amateuren wurde dem Stück längst der Garaus gemacht, aber hier, im Original, ist es noch immer bezwingend und klingt frisch, was wohl auch an Pete LaRocas feinem und wie bei ihm immer unkonventionellem Schlagzeugspielt liegt. Warren legt wie auf „Una Mas“ ein Fundament, das zwar auf einem einfachen Lick beruht, aber doch stets in Bewegung bleibt. Es folgt Dorhams herzzerreissendes „La Mesha“, eine dieser offenen Rubato-Balladen, wie sie in der Zeit aufkamen (ich denke da z.B. auch an Booker Ervins Kenney-Hommage). Bittersüss ist das, traurig und zum himmelschreiend und doch auch verdammt schön. Wie der junge Tenorist und der alte Fuchs an der Trompete zusammen spielen ist eine Freude, ihre Affinität ist unüberhörbar. Die erste Seite endet mit einem schnellen Blues von Henderson, boppig, throwaway, und doch ist da irgedwie mehr … Henderson gehört dann die ganze zweite Seite und die ersten beiden Stücke sind selbst zu Klassikern geworden: „Recorda Me“, nach dem Bossa die zweite Latin-Nummer des Albums und „Jinkrisha“, ein Stück, das die angedeutete Zerklüftetheit des Blues‘ auf weitertreibt – aber auch wieder in recht gemächlichem Tempo und mit dem lyrischen Ton Dorhams, der das Thema hier unisono mit Henderson präsentiert – Dissonanzen braucht es keine, die sind in der Linie schon drin. Tyner legt den Vamp drunter, La Roca umspielt, Warren rifft und fällt dann in einen satten Walking Bass, wenn die Form den 4/4-Swing vorgibt. Ein tolles Stück mit einem unaufgeregten, souveränen Henderson, der auch im rasanten Doubletime alle Zeit der Welt zu haben scheint und den schönen, irgendwie geschlossenen Ton nie verliert. Den Ausklang macht dann wieder ein Blues, diesmal so funky, dass er von Horace Silver ca. 1957 stammen könnte … Warren spielt einen Groove, wie er ihn ähnlich auch auf Sonny Clarks letztem Album hinlegte, Dorham soliert wieder mit diesem berührenden Ton und er wie auch Henderson sind äusserst sparsam hier.
Insgesamt ein unglaublich tolles Debut – was für eine Band, die Henderson hier um sich hat, was für tolles Material! Kleine Zweifel bleiben bei mir aber immer hier, irgendwie wirkt auf mich am Ende das ganze etwas zu verhalten, zu zurückhaltend. Vielleicht ist es genau diese Selbstkontrolle, die Henderson ausmacht, ziemlich sicher sogar, sie liegt ja schon in seinem Ton … und aus der Selbstkontrolle wird auch eine Art Selbstgenügsamkeit, Henderson als sein eigenes Universum, ein ganzes Leben organisiert, ohne dass er dazu viel brauchte als sein engste auf ihn völlig abgestimmtes Umfeld. Ich bilde mir irgendwie ein, davon in der Musik schon zu diesem frühen Zeitpunkt etwas zu hören und das schmälert den Genuss ein klein wenig. Genau deshalb ist mir am Ende wohl „Una Mas“ die liebere Scheibe, weil da im Titelstück losgelassen wird, werden muss. Henderson spielt nicht komplett anders, klar – und er ist sowieso fraglos ein phantastischer Saxophonist, daran habe ich nie gezweifelt. Bloss berührt er mich oft nicht so sehr, wie ich es eigentlich erwarten würde. Die Stimme, die mich hier aber mit fast jedem Ton mitten ins Herz trifft, ist die von Kenny Dorham.
Und jetzt weiter mit Our Thing, wenn ich grad schon in der Ecke bin, dem Album, das ich – wegen der Präsenz Andrew Hills und den entsprechend noch höheren Erwartungen immer etwas enttäuschend fand. Mal schauen, wie es mir heute damit ergeht.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba