Re: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Byrd und Adams gingen Ende 1961 getrennte Wege. Adams nahm 1963 und 1966 mit Thad Jones auf uns gehörte seit Ende 1965 zur neuen Big Band, die Thad Jones mit Mel Lewis gründete. Byrd war sehr aktiv, nahm für Blue Note u.a. „Free Form“ und „A New Perspective“ auf und begann, sich im Unterricht zu engagieren. 1963 zog er nach Paris, wo er bei Nadia Boulanger studierte, 1965 komponierte er für das norwegische Radio-Orchester und kehrte in die USA zurück, um eine Stelle an der Columbia University anzutreten. Mit einem anderen Freund aus Detroit ging er für Blue Note eine neuerliche regelmässige Partnerschaft im Studio ein, dem Altsaxophonisten Sonny Red, mit dem er in den 1966/67 vier Alben einspielte, „Mustang“, „Blackjack“ (beide mit Hank Mobley – uf dem CD-Reissue von „Blackjack“ findet sich ein einziges Stück einer Session mit Red von 1963), „Slow Drag“ (im Quintett), und schliesslich als letztes „The Creeper“, im Oktober 1967. Auch dieses Alubm erschien erst 1981, als allerletztes in der Reihe Blue Note Classics mit den seltsamen Covern. Mit ihm kehre Byrd zum Sextett-Format zurück und holte ein letztes Mal Pepper Adams ins Studio (der wirkte später auch bei „Electric Byrd“ mit, aber das hat mit der Partnershaft, die die beiden in den frühen Sechzigern verband, nichts mehr zu tun). Die Rhythmusgruppe bestand aus neuen Gesichtern: Chick Corea hatte bereits mit Blue Mitchells Band für Blue Note aufgenommen, zudem 1964 „Sweet Rain“ mit Stan Getz eingespielt und ein eigenes Vortex-Album war auch schon erschienen – er war nach Hancock der nächste junge Pianist, der für Aufsehen sorgte. Am Bass ist Miroslav Vitous zu hören, einer seiner ersten Jobs, nach dem Umzug nach New York (Byrds regulärer Bassist, Walter Booker, hatte ihn empfohlen). Am Schlagzeug sass Duke Pearsons regulärer Drummer Mickey Roker. Die Atmosphäre hier ist nicht unähnlich anderen Blue Note-Sessions der Zeit, offen, lyrisch, mit einem freien aber erdigen Bass, leichten Drums, einem lyrischen Piano, dazu ein paar unterschiedliche Solisten – Red ist da keine typische Wahl, schlägt sich allerdings sehr gut, Adams nimmt sich wie schon auf anderen Sessions mit Byrd etwas zurück, was ihm sehr gut ansteht … und Byrd selbst glänzt als der neben Corea wohl beweglichste Solist, der sich enorm gut mit der Musik zurechtfindet. Ein Höhepunkt ist Coreas Original „Samba Yantra“, dessen Groove irgendwo zwischen Coltranes „India“ und härteren Jazz-Samba-Nummern einzuordnen ist, aber die Linie ist vertrackt, fast schon wirr, das Piano klingt durchaus ein wenig nach Tyner, die Rhythmik ist nie ganz „zu“, es bleibt stets Raum für Ambivalenzen. Wundervoll ist dann auch Byrds Feature in Legrands „I Will Wait for You“, in dem die Saxophone aussetzen und klar wird, wie viel Byrd von Miles gelernt hat, die Sparsamkeit und Zurückgenommenheit seines Solos ist absolut bestechend, der Ton unglaublich schön (und ganz anders als der von Miles).

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