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noch mal ein paar pfade durch die frühen 70er…
von mclaughlin und santana schnell hinter larry young her (1973). eine unglücksplatte, das label perception records ging kurz vor auslieferung vor die hunde, kaum jemand bekam die ambitionierte post-blue-note-neuerfindung youngs mit. zunächst. ich muss gestehen – so begeistert bin ich vom konzept nicht. recht starre grooves, auf entwicklungsarmen bassriffs gegründet, dazu wilde und doch befangene, im mix unter die orgel geschobene soli, von pharoah sanders am anfang, von charles magee am ende, von unprofilierteren leuten dazwischen. ernsthaft: man lädt doch keinen pharoah zur session ein, um ihn dann postproduktiv leiser zu stellen… youngs orgelsounds natürlich in anderen galaxien. aber mir reicht es gerade nicht, dass nur ein wilder sound erzeugt wird.
und, was machten die alten hasen in den frühen 70ern so? weiterhoppeln… getz hat 1972 seine schöne corea-partnerschaft elektrifiziert – und der darf alles komponieren, schon mal das halbe return to forever (clarke, moreira) rekrutieren und lädt dann noch tony williams ein. una fiesta. witzig, ausgerechnet moreira mit kastagnetten klappern zu lassen. aber brasilianisches gibt es auch noch genug – auch den verschatteten melancholismus aus coreas akustikvergangenheit. eigentlich ist eine komposition schöner als die andere. aber manchmal ist es noch schöner, wenn der leader dabei pausiert und seinen quengelnden cool-is-over-ton abstellt. ist alles ganz wunderbar, aber die magie kommt immer erst dann, wenn corea sich etwas dehnt und tony williams (wunderbar unterstützt vom unglaublich sensiblen moreira) sein meisterbeckenspiel laufen lässt (und dazu rockig ein wenig auf die toms haut). ganz schöner treffer, vom captain. zu return to forever möchte ich danach trotzdem nicht.
mein dritter und ernsthaftester versuch mit diesem album (1975). leider auch wieder eine enttäuschte liebe. ich habe nie verstanden, warum sich shorter (eigentlich schon seit BITCHES BREW) aufs ornamentieren verlegt hat und aufhörte, totentänze und irrlichter durch sein horn zu pressen. das ist nicht unangenehm hier, auch nicht der ebenfalls umrahmende hancock und schon gar nicht der wunderbare sad shouter milton nacimento, aber diese ultragelackten, nach vorne gestellten drums und dieser ganze zusätzlich quatsch in der füllung… hier deprimieren mich die 70er wie in alten filmen mit mittelbraun möblierten kulissen, lauter selbstgenügsame, weinerliche, verspielt unaufgelöste akkorde… dann doch lieber die ungleich schärfere COURAGE von nacimento oder gleich deren rauer brasilianischer vorläufer.
gegengift. verocai ist ganz bestimmt der größte brasilianische arrangeur aller zeiten (hüstel). und diese fast unbemerkt erschienende lp (1972) ist – was die vocals und die kompositionen angeht – ganz nah bei nascimento, aber wieviel räumlicher und lebendiger ist das hier geraten. eine reine studioband, streicher, bläser, viel percussion, viele sänger, akustische und elektrische gitarren (bei denen santana auf entdeckungsreise hätte gehen können), etwas elektronik und fuzz und einige sehr funktional eingesetzte sax- und flötensoli (von oberdan magalhaes und nivaldo ornelas). während die streicher im weltraum hängen, greifen die bläser von der straße aus an, jeder layer macht eine raum auf, geht in die tiefe, zieht sich wieder zusammen, alles bleibt durchhörbar und live. ein erstaunlich natürliches gewebe, das sich ganz affirmativ den sprachen seiner zeit zuwendet, keine trübsal bläst und keine rockarena füllen will. verocai hat erst 30 jahre später nochmal was eigenes aufgenommen, vorher und dazwischen und wahrscheinlich immer noch am design von kollegen mitgewirkt, fernsehshows vertont, am zusammenhang von einzelstimmen gewirkt. wie er arbeitet, hat man (ganz kurz) hier mal aufgezeichnet, am beispiel von „sylvia“, seinem songgeschenk an die welt, das auch auf diesem album premiere hat:
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