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Mit dieser Scheibe, aufgenommen im Oktober und November 1964, geht eine Ära zu Ende, was Petersons Plattenproduktionen betrifft: es ist die letzte Aufnahme für Verve, das Label seines Mentors, Förderers und Produzenten Norman Granz. Dieser hatte Verve 1961 and MGM verkauft und ab den London House-Aufnahmen zeichnete Jim Davis als Produzent von Petersons Alben (er hatte schon unter Granz hie und da für Verve produziert), Granz blieb aber Peterson (und Ella Fitzgeralds) Manager.
Die Scheibe ist – gerade nach der doch nicht so grandiosen mit Nelson Riddle und dem Album mit Terry – eine willkomene letzte Rückkehr zum Trio mit Brown und Thigpen. Am Repertoire merkt man, dass auch Peterson inzwischen in den Sixties angekommen ist: Zum Auftakt hören wir „Corcovado“, es folgt „Days of Wine and Roses“, später folgen noch „People“ (die Version von Barbra Streisand war all over the radio) und „The Girl from Ipanema“ und „My One and Only Love“ (1952 veröffentlicht), zudem hören wird den Standard „Have You Met Miss Jones“ und ein paar Originals: Stutt Smiths „Time and Again“, Petersons Abschiedsgruss an den Produzenten „Goodbye J. D.“, „D & E“ aus dem Buch des Modern Jazz Quartet und schliesslich ein Stück namens „You Look Good to Me“, dessen Geschichte ich gerade auf die Spur zu kommen versuche …
Die Lyrics hat ein Zahnarzt namens Seymour Lefco geschrieben, zu dem es hier einen Nachruf gibt:
https://groups.google.com/forum/#!topic/alt.obituaries/kovxAmszxqM
Da steht, Ray Brown hätte ihm das Stück gebracht. In Phil Baileys neuen Liner Notes zum VME-Reissue des Albums steht auch, das Stück sei Browns – aber in den Credits ist neben Lefco ein Clement Wells, Jr. angegeben. Lefco taucht zwar in der ASCAP-Datenbank auf, aber nicht mit diesem Stück, auf der BMI-Seite tauchen beide nicht auf, zu Ray Brown gibt es auch auf beiden Seiten keine schlauen Angaben. Seltsam. Bailey schreibt übrigens wörtlich (das Zitat zuserst ist Jim Davis zugeschrieben): „‚You Look Good to Me‘ was something that Ray Brown brought in. For the trio to do a run-through and then come up with the version on the record was pretty incredible.“ Peterson has recorded Brown’s tune several times since then.“ Ich nehme also an, dass Bailey das Zitat missversteht – Brown brachte das Stück mit an die Session, aber es war nicht sein eigenes.
Jedenfalls finde ich das Album klasse – es bietet ein abwechslungsreiches Programm in der Art, wie das Trio es im Club bot damals (das zu dokumentieren bzw. mit den Alben zu rekonstruieren war auch Davis‘ Ziel) und die Pop-Stücke sind allesamt geschmackvoll arrangiert und gespielt – und überhaupt mit sicherer Hand gewählt, da gab es ja viel schlimmere Anbiederungen als Jobim und Mancini (für „Days of Wine and Roses“ habe ich allerdings sowieso einen soft spot, Jobim schätze ich sehr und „My One and Only Love“ war ja damals zwar noch vergleichsweise jung aber schon auf dem besten Weg, zum Standard zu werden).
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