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Diese Box von Universal Kanada vereinigt auf fünf CDs die zweite Reihe von neun Songbooks-Alben, die Peterson zwischen dem 14. Juli und dem 9. August 1959 mit seinem neuen Trio einspielte. Die Alben sind denselben Komponisten gewidmet wie die ersten Songbooks aus den Jahren 1952-54: Cole Porter, Richard Rodgers, Irving Berlin, Jerome Kern, Duke Ellington, Harold Arlen, George Gershwin, Harry Warren/Vincent Youmans und Jimmy McHugh – der einzige Unterschied ist, dass Warren und Youmans inzwischen nur noch gemeinsam ein Album „verdient“ haben.
Die Songbook von Jerome Kern und Duke Ellington enthalten exakt die zwölf gleichen Songs wie die früheren Ausgaben (bei Ellington finden sich darunter übrigens ein Stück von Billy Strayhorn und zwei von Mercer Ellington). Die Youmans- und Warren-Songbooks wurden halbiert, dennoch kommen ein bzw. zwei neue Stücke hinzu. Bei Richard Rodgers fiel „Thou Swell“ raus, dafür kamen zwei neue Songs hinzu. Andere Alben – Berlin, Porter, Gershwin – überschneiden sich etwa zur Hälfte, bei Harold Arlen kommt immerhin ein Drittel neu hinzu, bei Jimmy McHugh sind zwar alle neun früheren Stücke erneut zu hören, aber es kommen drei weitere hinzu, denn die neuen Alben enthalten alle genau zwölf Stücke. Das ganze Unterfangen war wohl en Versuch, eine Art verbesserte Neuausgabe vorzulegen, die aber auch für die Besitzer der zehn früheren Alben reizvoll war.
Wichtiger als all das ist jedoch selbstverständlich der veränderte Charakter der Musik, der hier nun endgültig deutlich wird. Das Zusammenspiel mit dem Gitarristen, die dicht-gewobenen Arrangements des früheren Trios machen Raum für offenere Strukturen, in denen die Rollen von Lead und Begleitung klarer definiert sind. Peterson als einziger Solist hat mehr Raum, hat inzwischen wohl auch das Selbstbewusstsein, die ganze Sache alleine zu stemmen, ohne einen Partner an einem zweiten Harmonie- und Melodieinstrument (das auch ein Rhythmusinstrument ist, klar, bei Ellis sowieso, wenn er seine Bongo-Effekte spielt), der ihn mit Ideen versorgt und als Sparring Partner stets zur Verfügung steht. Im Kern der neuen Band ist aber immer noch Ray Browns starker Bass von grösster Wichtigkeit, um ihn formiert sich die Musik erst, er ist ein verlässlicher Fels in der Brandung, der jedem Sturm widersteht und stets Orientierungshilfe leistet – wie er es ja auch im früheren Trio schon tat.
Ron Gaskin schreibt in seinem kurzen Text zur obigen Box von 2009 folgende Zeilen:
[Peterson’s] approach to the songbooks were simplicity itself. He became a Tin Pan alley song-plugger, delivering these incomparable songs with an easy, gentle, genial air that sold the SONG, not as a springboard to display his prodigious virtuosity … just the song and its beautiful lingering melody.
Welche Alben man unter den neun bevorzugt, hängt entsprechend davon ab, welche Songschreiber man am besten mag. Cole Porter steht da für mich bekanntlich ganz weit oben, direkt bei Gershwin und vor Berlin, Arlen und Rodgers/Hart und Kern. Mit Warren, Youmans und McHugh bin ich nicht sehr vertraut, aber klar, auch da gibt es sehr bekannte und sehr schöne Songs, etwa „More Than You Know“, „I Can’t Give You Anything But Love“, „On the Sunny Side of the Street“ oder „Don’t Blame Me“ – das erste von Youmans, die anderen von McHugh. Was Warren betrifft, so fehlen auf dem neuen Album die Songs „You’re My Everything“ und „You’re Getting to Be a Habit with Me“, die ich sehr mag, weitere, die ich schätze, „Boulevard of Broken Dreams“, „The More I See You“, „There Will Never Be Another You“ oder „Lulu’s Back in Town“ fehlen auf beiden Alben von Peterson. Ellington läuft ausserhalb, da seine „Songs“ ja fast alle „tunes“ waren, die nachträglich mit oftmals ziemlich üblen Texten versehen wurden.
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