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Auch wenn ich das Trio mit Barney Kessel wohl eine Spur lieber mag: Das hier ist wohl die Inselplatte, was Petersons p/g/b-Trios betrifft. Aufgenommen am im Titel genannten Festival in Ontario am 8. August 1956 dokumentiert sie Peterson, Herb Ellis und Ray Brown in allerbester Form und in Stücken, die Raum für lange Soli lassen. Es geht einerseits nicht darum, möglichst viele Standards auf einer Scheibe zu präsentieren, wie das bei den Alben mit Kessel meist der Fall war, und Petersons Selbstsicherheit hat sich wohl in den paar Jahren auch ziemlich gesteigert, er traut sich, längere Soli zu spielen. Sein Einstieg in die US-Jazzszene war ja ziemlich krass – auch wenn er in Kanada schon ein Jazhrzehnt Erfahrung als Berufsmusiker auf dem Buckel hatte, unter Norman Granz‘ Ägide stand er in den USA vom ersten Tag an mit den allerbesten Leuten auf der Bühne oder ging mit ihnen ins Studio: Roy Eldridge, Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Johnny Hodges, Buddy DeFranco, Ben Webster, Lester Young, Coleman Hawkins, Buddy Rich etc.
Die CD enthält zwei Bonustracks: „Daisy’s Dream“ (mit über dreizehn Minuten de rlängste Track, „How High the Moon“ kratzt aber auch an der Zehn-Minuten-Marke und „Love You Madly“ ist acht Minuten lang) sowie „Nuages“, das berühmteste Stück von Django Reinhardt.
Der Konzertrahmen kommt dem Trio jedenfalls enorm entgegen, das wird schon auf dem früheren Mitschnitt aus dem Zardi’s klar. Die Bälle fliegen in schwindelerregender Geschwindigkeit zwischen Peterson und Ellis hin und her, auch wenn die Arrangements oft wenigstens teils geplant waren – das Trio verstand sich immer besser auf die Kunst, eine einmal spontan gefundene gute Idee sofort zu memorieren und sie am nächsten Abend wieder zu präsentieren – wirkt die Musik sehr spontan und das unglaublich fein abgestimmte Spiel aller drei kommt live noch viel schöner zur Geltung, sei es im zupackenden Swing schneller Stücke oder in Balladen. Die neun Stücke des Albums umfassen für einmal nur wenige Standards, die für Songbook-Projekte in Frage gekommen wären, neben Rodgers/Harts „Falling in Love with Love“ noch Burke/Van Heusens „Swinging on a Star“ und das erwähnte Ellington-Original. Es sind aber weitere bekannte Standards zu hören: „How About You?“ und „How High the Moon“ (ein Feature für Ray Brown), dazu das wundervolle „Flamingo“, das Mingus in der Zeit auch spielte – hier greift Ray Brown zum Bogen. Neben „Daisy’s Dream“ ist mit „Noreen’s Nocturne“ noch ein Peterson-Stück zu hören, zudem spielen die drei „Gypsy in My Soul“ und – vielleicht etwas überraschend – Monks „52nd Street Theme“.
Peterson schreibt in seinen Linernotes für die LP: „I have never felt more relaxed and at ease at a recording session than I have at this one, and I feel that it shows in my playing.“ Das tolle Cover von Sheldon Marks beruht auf einem Photo von Chuck Stewart.
Gene Lees, Petersons Biograph, zitiert diesen:
[W]hen that trio had the lock-down going, it was a unit nobody could interfere with. Ray and Herb did something that a lot of players don’t do. They played together in the daytime, apart from the gig. They sat down and actually practiced harmonic movement … They practiced possibles. All the possibles, all the alternatives. And whatever triggering mechanisms they had – and I wasn’t allowed in that club – they could go any given way at any given time. It was just automatic with them …
The other thing that trio had, which people may or may not have realized, was a tremendous linear suppleness. We could play lines together like nobody else could play lines together. We could run lines against each other, and it was because we had such a great understanding of each other’s playing. And we could run these lines in such a way that at times, depending on where we were on the instruments, it was almost impossible to tell which instrument you were hearing.“
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