Re: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Das Album entstand im Mai 1957, im selben Monat also, als Coltrane sein erstes Album als Leader einspielte – er ist noch nicht ganz so sicher wie im Herbst auf „Wheelin‘ and Dealin'“, auch Quinichette kommt nicht überall zurecht – er war kein Bebopper, in Waldrons „Anatomy“, das auf „All the Things You Are“ beruht, fühlt er sich hörbar unwohl und als er bei 3:16 einen falschen Ton spielt, hört man, wie er zu sich selbst sagt: „come on!“ – aber viel besser wird’s nicht, auch in der Bridge (3:18-3:24) liegt er daneben. Den zweiten Chorus kriegt er dann allerdings besser – sogar mit einer tollen Phrase in double time – hin (aber nicht ohne Fehler).
Es gibt auf dem Album ein Stück ohne Coltrane „Exactly Like You“ und ein weiteres, das als Bonustrack auf der CD-Ausgabe erschienen ist, „Tea for Two“. Auf ihnen präsentiert sich Quinichette in bester Form. Die Rhythmusgruppe – Mal Waldron mit Julian Euell und Ed Thigpen – ist hier eher erdig denn agil, was zu Quinichette und seinem sicheren Beat bestens passt. Auch im öffnenden Blues „Cattin'“ ist er entspannt und sein Beat konstrasiert schön mit Coltranes viel freier rhythmisierten Phrasen.
Das Highlight ist wohl „Sunday“, in dem Quinichette mit berückendem Ton das Thema spielt. Auch Coltrane soliert wunderbar hier, zitiert im zweiten Solo eins seiner Lieblingsstücke, „Dearly Beloved“ (4:48).
„Vodka“ beruht auf „Yesterdays“, Coltrane soliert zuerst, Waldron zitiert Gershwins „It Ain’t Necessarily So“ (ab 5:51). Das Thema von „Tea for Two“ wird über einen Latin Beat präsentiert, die Soli werden dann aber in straightem 4/4 gespielt. Quinichette spielt lange Linien, die hart am Beat zu kleben scheinen, löst sich allmählich, fängt an, mit seinem Ton zu arbeiten – sehr schön.

Neben „Wheelin‘ and Dealin'“ kann diese Session nicht bestehen, aber sie ist mir dennoch sehr lieb, bei allen Mäkeln … und es muss auch festgehalten werden, dass „Wheelin‘ and Dealin'“ von allen Jam Sessions, die Coltrane für Prestige gemacht hat, ziemlich klar die beste ist (die Alben mit Tommy Flanagan – „The Cats“ – und Kenny Burrell mal ausgenommen, die auch auf der „Interplay“-Box zu finden sind, weil Coltrane eben Co-Leader und nicht Sideman war).

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