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CD 4 der „Interplay“-Box mit der kompletten Wheelin‘ & Dealin‘ Session unter Leitung von Mal Waldron … die Diskussion darüber hat mich ja überhaupt dazu angeregt, mal wieder in Coltranes frühe Aufnahmen reinzuhören!
Wunderbar schon der Auftakt – und enorm der Kontrast im Bass. Ich glaub ich mag Doug Watkins am Ende eben doch lieber als Chambers, sein Ton ist phantastisch (und er spielt auch wirklich Bass!), sein Timing ebenso, und seine Walking-Linien gleich dazu…
Für alle Interessierten hier die Liste der Solisten, wie sie im Booklet der Box steht:
DEALIN‘ (alt. take)
Wess (fl), Quinichette (3:33), Coltrane (5:17), Wess (ts; 6:32)
DEALIN‘
Solo sequence as above
WHEELIN‘ (alt. take)
Coltrane, Quinichette (1:20), Wess (sax, 2:04), and continuing in that sequence until the piano solo
WHEELIN‘
Solo sequence as above
ROBBINS‘ NEST
Wess (fl), Quinichette (4:31), Coltrane (7:49)
THINGS AIN’T WHAT THEY USED TO BE
Wess (fl), Quinichette (2:45), Coltrane (3:37), Quinichette (4:29), Coltrane (5:19)
Angaben ohne Gewähr, bin erst im ersten Track, aber dort stimmen sie jedenfalls – und ich finde es völlig klar, welcher Solist Quinichette ist und welcher Wess. Muss gelegentlich mal die mittelprächtige „Tenor Conclave“ nachhören, ob ich Al & Zoot auseinanderhalten kann, weiss ich auch nicht, schon lange nichts mehr von den beiden gehört, aber ansonsten dürfte das klar sein, genau wie bei Griffins „Tenor Conclave“.
Der Übergang von Q zu Trane im Alternate Take von „Dealin'“ ist allerdings tricky, denn Coltrane beendet die letzte Phrase von Quinichette und es gibt da einen kurzen, recht seltsamen Moment.
Wunderbare Session jedenfalls, ich liebe Waldrons Telegramm-Stil und mit ihm und Watkins klingt Taylor ähnlich gut wie mit Garland und Chambers, aber mich dünkt der Beat von Watkins (und der von Waldron) wirken sich sehr positiv auf Taylors Tempi aus. Ach ja … „Baby, It’s Cold Outside“ :liebe: (Quinichette, bei 4:40 im zweiten Take von „Dealin'“). Wess spielt dann aber das wohl beste Solo des Stückes.
„Wheelin'“ ist dann die grosse tenor battle, Wess blüht auch hier wieder auf – im zweiten Take ist er in grosser Form. Quinichette öffnet sein zweites mit einem Zitat von Cole Porters „Anything Goes“ (2:56) – aber es ist Wess, der hier absahnt … anything goes, er phrasiert mit unglaublicher Sicherheit, klingt sogar mal rasch wie sein Basie-Kollege Eddie „Lockjaw“ Davis (4:12). Quinichettes nächste Passage (4:37) ist dann allerdings ebenfalls grandios. Waldron phrasiert dann ebenfalls viel sicherer und es gibt ein paar sehr schöne Reaktionen von Tayor (die Rimshots). Insgesamt phantastische Musik hier – das Highlight der Session wohl und ein ganzes Stück besser als der erste Take!
Der Alternate Take ist etwas weniger gut, Quinichette scheint in seinem ersten Solo manchmal etwas neben den Schuhen, spielt aber dennoch mit viel Gefühl. Waldron stapelt seine Linien zu Pyramiden, aber der Beat kommt ihm streckenweise etwas abhanden, bevor er sich wieder fängt … allerdings zieht das Tempo enorm an, Watkins walkt nicht mehr, er rennt. Im Master scheint das Tempo von Beginn an etwas rascher zu sein und danach weniger (oder nicht?) anzuziehen – aber das ist im Master Take auch wirklich egal, denn er ist phantastisch!
„Robbins‘ Nest“ ist eine Komposition, die Illinois Jacquet mit seinem Pianisten Sir Charles Thompson (geadelt von keinem geringeren als Pres) komponiert hat. Wess spielt das Thema auf der Flöte – ich denke, er war der beste der frühen Jazzflötisten, egal was Linda Shank oder Herbie Manns Brustfell dazu sagen würden … sein Ton ist sehr schön, sein Spiel modern, chromatisch (grad im Vergleich mit Herbie Manns wesentlich begrenzterer Technik!). Er brauchte ja bekanntlich lange, um Basie zu überzeugen, dass er Flöte spielen durfte in dessen Band, aber es hat sich auf alle Fälle gelohnt! Quinichette öffnet mit einer typischen Phrase, einem scheinbar zweifelnden Gestus, lässt sich viel Zeit, spielt eine grossartige Bridge im ersten Chorus (5:02-5:19), baut im zweiten Chorus weiter auf, streut ein paar beinah-Zitate ein, öffnet seinen Ton im dritten Chorus richtiggehend, streut dann ein Zitat aus „Without a Song“ ein (6:56). Coltrane setzt ebenfalls mit einem Zitat ein: „Violets for Your Furs“, eine Ballade, die er auf seinem Debut-Album aufgenommen hatte. Auch hier ist sein Ton wieder überraschend – im September 1957 hatte er – nach dem Rauswurf bei Miles im Mai – seine Drogensucht überwunden und schon einige Wochen mit Monk geübt und live gespielt und er wirkt selbstsicher, phrasiert weitgehend sicher und eben: spielt mit einem wunderschönen Ton! Hier gefällt mir allerdings wohl Quinichette am besten. Waldron scheint in seinem Klaviersolo schon etwas an Ellington zu denken. Watkins spielt ebenfalls ein schönes Solo – er fiel schon davor manchmal auf, besonders während Quinichettes Solo.
Ellington macht dann den Schlusspunkt: Sohn Mercers Klassiker „Things Ain’t What They Used to Be“, eine äusserst eingängie Blues-Nummer. Wie schon im Outro von „Robbins‘ Nest“ spielt Wess in seinem Flötensolo ein paar Phrasen mit einem leichten „buzz“ – später begannen Flötisten (Lateef etwa, einer der wenigen, die Wess in Sachen Ton das Wasser reichen konnten, auch Kirk) diese Technik soweit auszubauen, dass sie beim Spielen ihre Stimme einsetzten und mitsummten. Quinichette spielt erneut ein tolles Solo, sein Ton singt, ist weniger brüchig als üblich, er zitiert „Stormy Weather“ (ab 3:10). Coltrane spielt seinerseits mit wunderbarem Ton ein paar schöne Blues-Chorusse und es ist wunderbar, ihn und Quinichette im Wechsel zu hören (ich will wohl gleich noch „Cattin‘ with Coltrane & Quinichette“ hören!).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba