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gollumWELT: Viele Fans nahmen Ihnen das Foto auf dem Cover von „Season Of Glass“ übel, auf dem Johns blutige Brille zu sehen ist.
Ono: Aber genau das wollte ich. Ich wollte der Welt sagen: Das habt ihr getan! Ihr habt uns das angetan.
gollumDas Cover weist auf den Inhalt. Der brutal gestörte Blick auf die Skyline New Yorks gehört dazu. Vielleicht hier schon zu abseits, aber da das Cover provoziert, fand ich ihre erklärenden Worte als Beigabe zumutbar.
Architektur ist auch Abgrenzung und räumliche Trennung, das Verhältnis zwischen Nahem und Entferntem, zwischen groß und klein. SEASON OF GLASS ist ein schönes Beispiel dafür. Ich finde dieses Albumcover von Yoko Onos SEASON OF GLASS sehr schön und sprechend. Mir gefällt diese Gegenüberstellung von Innen- und Außenwelt, von Privatheit und Öffentlichkeit. Es hat mich lange beschäftigt. Länger als die Musik selbst.
Das geöffnete Zimmerfenster des Wohnraums der Lennons, durch das man auf den Central Park und die entfernte New Yorker Skyline blickt, steht sowohl für Distanz zur Welt, als auch für den Unterschied zwischen privatem Leben in diesen Räumen des Dakota Building (das u.a. im Film ROSEMARY‘S BABY eine entscheidende Rolle spielt) und der großen gefräßigen Welt (außerhalb). Dies ist unmissverständlich ein Bewältigungsphoto und mehr ein Ono-Cover, als ein Lennon-Cover, das sich – auch architektonisch – in Verbindung mit der Albumrückseite erschließt.
Es ist auch der künstlerische Versuch eines Abschieds von einer geliebten Person und des sich Bewusstwerdens einer permanenten Leerstelle im eigenen Leben. Dieses Photo, das zu einem Albumcover wurde, steht für Trauer und für Tränen. Gedacht und gemacht hat es eine Witwe, die sechs Monate vorher ihren Lebenspartner verloren hat.
Was sagt dieses Photo noch? Der Himmel ist grau, die Skyline von New York, der Central Park, unscharf. Die Welt draußen, die Zukunft unklar. Auf einem Tisch vor dem Fenster sieht man eine Brille, ein Wasserglas daneben. Die stumm anklagende Brille steht für John Lennon (dem sie gehörte), das halbgeleerte Wasserglas für Yoko Ono (hier ist auch die besondere Beziehung der Japaner zu Wasser mitzudenken). Das Blut an der Brille besagt, das hier jemand vor der Zeit gegangen ist und dass es kein natürlicher Tod war. Glas und Brille sind sich sehr nahe und verweisen auf eine enge Beziehung. Das Wasser im Glas bedeutet Leben, das nun halbiert ist, die blutbespritzte Brille Tod, Trauer und Schmerz.
Das Photo auf der Albumrückseite zeigt eine fast identische Einstellung, die jedoch weiter in den Innenraum zurückgewichen ist. Der Abstand zur Welt ist größer geworden. Auch das Fenster ist nun geschlossen, das Glas Wasser aber wieder ganz gefüllt und die Brille hat einer blühenden Topfpflanze Platz gemacht. Das Leben der (in der Welt) zurückgebliebenen Witwe wird weitergehen. Am rechten Bildrand sitzt Yoko Ono im Halbprofil und ihre spürbar stille Trauer ist unverkennbar.
Ono wurde (von Lennon-Fans) vorgeworfen, sie verwende mit diesem Albumcover die Erinnerung an Lennon zur eigenen Profilierung. Ich sehe das nicht, denn dieser Vorwurf lässt außer acht, das es um eine persönliche, ja körperliche Schmerzbewältigung geht, und nicht um eine verkaufsfördernde Maßnahme. Eine Frau hat ihren Lebenspartner verloren und versucht dies in Covergestaltung und auch mit den Songs des Albums auszudrücken. Das Photo ist aber ebenso eine deutliche Anklage.
Das habt ihr getan! Ihr habt uns das angetan!
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