Re: Ich höre gerade … klassische Musik!

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gruenschnabel

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soulpope
„redbeansandrice“ sprach im Jazzthread über die quantitative Planbarkeit von hochwertiger Musik und erwähnte Mahler …. und wenn man diese superbe 5te mit dem Concertgebouw unter Haitink hört, so entsteht IMO der Eindruck Mahler habe sich (zumindest aus seiner Sicht) nur auf das Wesentliche reduziert …. und für die Reduktion stand hier stellvertretend der Kampf um die Struktur, welcher Mahler ausgehend von dem Scherzo des späteren 3ten Satzes von 1901 hinweg bis zur Instrumentierung und ersten Generalüberarbeitung in 1904 beschäftigte und selbst in seinem Todesjahr 1911, also eine Dekade nach dem Arbeitsbeginn an diesem Werk unterzog er Letzteres einer weiteren Revision (welches als solches erst mehr als 50 Jahre späteren in einer gedruckten Fassung der Nachwelt zur Verfügung gestellt wurde) …. die wiederkehrende Bearbeitung im Ergebnisz als originärer Schöpfungsakt …..

Ein tolles Posting.
Ich höre es genau so, dass Mahlers Weite hinsichtlich Zeit und Strukturen, damit ist in erster Linie aber ein immenser geistiger Weitblick gemeint, in überhaupt kein bisschen paradoxer Weise mit einer strengen Reduktion einhergeht – nur das wird musikalisch gesagt, was unbedingt notwendig erscheint. Weitschweifigkeit ist hier also nicht in die Nähe von Abschweifigkeit zu rücken.
Und wie du sagst: In erster Linie ging es bei den andauernden Bearbeitungen um ‚Uminstrumentierungen‘ (vor allem durch Wegnahme), die primär auf eine größere Transparenz der Orchestrierung abzielten. Der „Schöpfungsakt“ hing wohl in einigen Fällen vom ganz konkreten Konzertsaal ab, der Mahlers Klangvorstellungen u.U. präzisierte (und inspirierte), und weniger von weiteren strukturellen Ideen, welche die kompositorische Gesamtanlage verändert hätten.
Das Ausmaß an Polyphonie innerhalb der Sinfonie war für Mahler zunächst wohl in gewissem Sinne eine Überforderung – der er sich als Komponist in bewundernswert entwicklungsfähiger Weise stellte. Mahler wuchs an dieser Aufgabe, und nur so waren dann auch weitere Werke in diesem mitunter schroffen polyphonen Stil möglich – zumal in den Größenordnungen der weiteren Sinfonien.

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