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Anonym
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grünschnabelEs zieht mit Macht hinüber, ist aber in Wirklichkeit hier.
So ist es.
Bei Richter bin ich aus einer Erfahrung heraus trotzdem noch skeptisch: Seine Tempi in Verbindung mit dem ewigen Legato (so jedenfalls kommt’s mir vor) machen mich bei seiner Einspielung des WtK teilweise wirklich mürbe. Aber es ist schon so: Wenn so eine nachdrückliche Empfehlung kommt, ist die Antenne eigentlich schon ausgefahren… mal sehen.
Mit Richters WTK kann ich auch nicht viel anfangen, mehr und mehr sogar gar nichts. Die späte B-Dur-Sonate kannst Du hier hören, gleich zu Beginn (das ist nicht die Studioeinspielung, sondern live, scheint mir, aber wie schon gesagt, das Konzept blieb bei ihm gleich). Da wirst Du schnell merken, ob Du mit den Tempi klarkommst oder das doch fernbleiben sollte. Ich bin gespannt …
Zu den Wiederholungen: Die hatten einerseits doch schon im 19. Jh. ausgedient…? Andererseits habe ich sie auch bei älteren Stücken schon öfter als überflüssig bis störend empfunden. Und wenn ich sage „sie“, dann meine ich vor allem diese merkwürdigen Wiederholungen von Durchführung + Reprise. Da war man schon vorher durch die Nacht zum Licht gelangt, hat die Entwicklung emotional durchlaufen und dann sagt da einer plötzlich: „So, und jetzt bitte noch mal ab Mitternacht!“
Da spielen ja viele Dinge hinein. Zunächst einmal die Sonatenhauptsatzform, die – im weiteren Sinn – ein rhetorisches Fundament ist, um Inhalte zu transportieren, die dann umgekehrt auch von ihm gelenkt werden. Das ist natürlich auch, Komponisten leben schließlich, an Vorbilder geknüpft, an denen man sich abarbeitet, bei Schubert gibt’s im Symphonischen da ja nun einige Bezüge zu Beethoven, die ihm schwerfielen, und dann Mozart, der ihm leichter von der Hand ging, allerdings war das nicht in der Spätzeit.
Im Weiteren komme ich dann bei solchen rhetorischen Fragen in allen möglichen Kontexten zu den Fragen: „Wie beginnen?“ und „Wie enden?“ So etwas hattest Du weiter oben schon angesprochen, glaube ich. Und das betrifft dann auch nicht mehr nur die Sonatenhauptsatzform, sondern auch jeden Liedschluss. Ob man etwa wie Britten in seiner Vertonung von Hölderlins „Hälfte des Lebens“ noch eine kleine versöhnliche Akkordwallung hinterdreingibt oder schroff endet, was für meinen Geschmack einem kalten Klirren der Fahnen, wie’s im Text genannt ist, angemessener wäre.
Und dann muss man gewiss auch zwischen Wiederholungen unterscheiden. Eine Wiederholung bei Bach ist etwas völlig anderes als dieser repetitive Atem bei Schubert in der letzten Klaviersonate. Dort würde ich nichts kürzen, obwohl die Kürzung als Experiment gewiss nicht zu verurteilen ist. Aber der ständige Neubeginn, der am Ende zum resignierten Treten auf der Stelle wird, ist anders nicht zu realisieren.
Zu Ysaye ist der von gypsy genannte Zehetmair eine gute Möglichkeit und zu Zimmermann, den man wahrlich nicht unterschätzen sollte, füge ich noch Oscar Shumsky hinzu.
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