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clasjazDieses Aneinandervorbeireden ist aber auch interessant!
Finde ich nicht. Es macht die Sache m.E. eher zäh. Aber immerhin geben wir beide uns ja Mühe.
clasjazBrendels Auffassung scheint mir (…) dogmatisch
Kann ich nicht ansatzweise nachvollziehen. Ich sehe das so: Brendel merkt, dass seine Mimik dem musikalischen Ausdruck nicht nur nicht entspricht, sondern wirkungstechnisch sogar kontraproduktiv ist. Er sieht dies als verbesserungsbedürftig an und achtet entsprechend mehr darauf. Für mich ein von A-Z völlig nachvollziehbarer Vorgang. Hat auch nur mit ihm und seinen künstlerischen Vorstellungen zu tun. Mehr ist da nicht.
Auch der Bezug des Zitats zu Gould offenbart sich mir bislang überhaupt nicht. Brendels Ablehnung diesem gegenüber hatte meinem Kenntnisstand nach mit einer völlig unterschiedlichen Auffassung von „Werktreue“ zu tun.
clasjaz Und es wird Dir ja nicht anders gehen, nehme ich an, wenn es einem x-mal so geht mit einem Interpreten, dann lässt man die Umstimmungen und Entdeckungen gelassen auf sich zukommen.
Ja, das ist auch für mich völlig normal.
clasjaz Es handelte sich ja offensichtlich nicht um einen Automatismus, auch bei Brendel nicht, meinetwegen mag er Wert auf eine „Übereinstimmung“ gelegt haben – aber: worin besteht die denn eigentlich? Worin ein Scheitern, worin ein Gelingen?
Ich kann das für Brendel nicht beantworten. Geht es eventuell darum, dass der spannungsreiche Septsprung aufwärts im langsamen Satz durchaus mit einer hochgezogenen Augenbraue korrespondieren könnte?
clasjaz Und was sollen da die schwereren körperlichen Defizite? Natürlich hindert eine Erkrankung am Spiel, wie bei Fleisher, wie bei Solomon. Aber sie verhindert dann das Spiel tatsächlich und solange es noch gelingt, eben nicht.
Es ging mir hier darum, dass es Musiker gibt, deren Spielapparat trotz klanglicher Bewältigung der Interpretation wirkungstechnisch nicht automatisch eine Einheit damit suggerieren muss. Plakativ: Ein Gesichtsgelähmter kann das „Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen“ kaum mimisch passend begleiten. Weniger plakativ: Ich kenne eine Geigerin, die eine Sehschwäche hat und oftmals aussieht, als würde sie beim Spielen angestrengt blinzeln. Das findet optisch seltenst eine sinnhafte Entsprechung in der Musik.
clasjazUnd die „psychischen Gegebenheiten“?
Wir alle haben ja ein begrenztes mimisches Repertoire. Auch einem Musiker werden vor diesem Hintergrund je nach psychischer Konstitution einige Facetten musikalischen Ausdrucks leichter „gelingen“ als andere. Bei Brendels Es-Dur-Beethoven z.B. habe ich eine Stelle bemerkt, an welcher er ganz leidend guckt, obwohl die Interpretation das in dem Moment gar nicht hergab. Da habe ich mir – weil ich wegen dieser Diskussion hier ja gerade auch auf das Äußere geachtet habe – gedacht: Mensch, Alter, werd mal locker.
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