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Anonym
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Dieses Aneinandervorbeireden ist aber auch interessant! Du sagst nun, grünschnabel, dass es Dir auf die Umsetzung der Komposition ankomme – ja, eben, sage ich ja auch. Ob da einer im Gummianzug oder mit Nudelhölzern, summend, stöhnend oder sonst mit Mitteln sich behilft, ist mir gleich. Wenn es aber geschieht, dann kann mich das schon interessieren. Ich sehe da keinen Widerspruch. Brendels Auffassung scheint mir genau dagegen dogmatisch, vielleicht nicht gerade ein Grund, ins Wasser zu gehen, aber doch etwas verschwurbelt in dem Sinn, den gypsy herausgehoben hat, dass also einer sich doch nicht allzusehr um die Außenwelt kümmern müsse, wenn er mit der Umsetzung der Komposition ansonsten zurecht kommt. Bezieht er so etwas wie Spiegel mit ein – sei ihm ja unbenommen -, dann ist das aber außermusikalisch. Und dass solches einfließt, geschenkt. Nur, das alles dann umzudeuten in eine angemessene Kongruenz von Mimik, Gestik und Interpretation halte ich für übertrieben. Und meine Kritik an der geplanten Empfindung bei Brendel galt gerade der Interpretation. So höre ich das. Und es wird Dir ja nicht anders gehen, nehme ich an, wenn es einem x-mal so geht mit einem Interpreten, dann lässt man die Umstimmungen und Entdeckungen gelassen auf sich zukommen.
Dennoch, noch hierzu:
grünschnabelIch finde die Idee alles andere als seltsam. Nicht jeder Musiker macht die Selbsterfahrung, dass das Zusammenspiel von Mimik und klanglicher Realisation übereinstimmt, wenn er sich sieht. Ein solcher Automatismus ist nicht selbstverständlich und kann an ganz einfachen physiologischen / physiognomischen oder gar schwereren körperlichen Defiziten bis hin zu psychischen Gegebenheiten scheitern.
Es handelte sich ja offensichtlich nicht um einen Automatismus, auch bei Brendel nicht, meinetwegen mag er Wert auf eine „Übereinstimmung“ gelegt haben – aber: worin besteht die denn eigentlich? Worin ein Scheitern, worin ein Gelingen? Und was sollen da die schwereren körperlichen Defizite? Natürlich hindert eine Erkrankung am Spiel, wie bei Fleisher, wie bei Solomon. Aber sie verhindert dann das Spiel tatsächlich und solange es noch gelingt, eben nicht. Und die „psychischen Gegebenheiten“? Das vermag ich nicht nachzuvollziehen, nein, ganz und gar nicht, was soll das sein, die Übereinstimmung von Mimik und klanglicher Realisation? Einer kann sich ein mimisches, privates Ziel setzen und das mag dann in eine Korrespondenz zu setzen sein mit der Interpretation, aber allzu sehr würde ich da nicht drauf bauen.
Bei dem Brendelzitat sollte man auch nicht vergessen, da Du ihn genannt hast, dass Brendel nicht nur einmal gegen Gould gewettert hat. Und das – man kennt Konkurrenz als Stachel der Selbsterfindung längst und immer und überall – sollte nicht außer Acht gelassen werden. Gould selbst ist ja mit ähnlichem durch die Jahrzehnte gegangen: Horowitz als Gegenpianist.
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