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Anonym
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grünschnabelDa geht wohl wirklich was durcheinander. Ich hatte dich durchaus so verstanden, als sei die Mimik des Interpreten ein erwähnenswerter Faktor. Wieso sonst erwähntest du den Begriff „Physiognomik“ im Zusammenhang mit dem „Ernst“ in Guldas Gesicht, der deine „Teilnahme“ auslöst / befördert? Und als explizite Gegenüberstellung äußertest du dann den für mich jetzt noch rätselhafteren Satz über die geplanten Empfindungen Brendels, wenn du ihn sähest. Da war ich mir sicher, dass du auch hier wieder auf etwas abzielst, das mit dem Gesichtsausdruck zu tun haben muss. Und gegen was „Geplantes“ spräche m. E. dann eben diese völlig unkontrollierte Mimik Brendels – einfach als Indiz.[…] Und da scheinst du bei Brendel irgendwas Defizitäres wahrzunehmen, das ich bislang nicht nachvollziehen kann.
Aber ich sagte doch, ich sei eben kein Physiognomiker. Mimik und Gestik interessieren mich in der Tat dennoch, aber sie sind mir gewiss nicht das Wichtigste in der Musik. Guldas Klarheit bei Mozart, bei Bach, und das Ruhige, sogar Trauervolle im Gesicht, nun ja, darauf reagiere, agiere ich eher als bei den Lang-Lang-Grimassen eines Brendels. Da sehe ich eine Art gespielter Empfindung, mag ja sogar sein, dass er, Brendel, sich zurecht davon abwenden wollte. Entschuldige, ich sage das mit Absicht so krass. Ohne Dir Brendel verleiden zu wollen. Ich komme mit ihm nicht klar, ich höre ihn als – übertrieben eigengefällig. Und gegen Spinner habe ich ja nun andererseits wirklich nichts.
pinchWie auch immer: jetzt rücke ich das alles erstmal in aller Ruhe zurecht. Das WTK unter ihm kannte ich bisher zwar, habe es aber nie besessen. Heute aber die elegante „Philips“ Vinyl-Box davon gekauft, die mein Budget natürlich wiedermal vollkommen gesprengt hat. Aber ich kam da einfach nicht drumherum, weil, wenn nicht jetzt, wann dann? Besten Dank erstmal euch beiden, Dir und Gypsy, fürs Gulda-Preisen
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Die Geschichten um Gulda kenne ich nicht allzu gut, aber komm, eine eigene Todesanzeige zu verfassen, das ist alte Kafka-Tradition. Der Gulda hat’s dann wohl öffentlich gemacht. Und berichte dann mal gelegentlich, wie Du die späten Fugen aus den beiden WTK-Büchern findest, diese Ruhe in ständiger Steigerung. Hier habe ich gerade noch einmal zwei Kotzbrocken auf einem und mit einem Haufen gefunden.
gypsy tail winddie Birdland-Platte ist Fake, also eine Studio-Aufnahme, die mit etwas Retorten-Applaus ergänzt wurde. Sie ist ganz in Ordnung (so in der Gegend ***1/2 würd ich sagen), die Band ist spitze: Idrees Sulieman (den schätze ich sehr, eine kleine Gemeinsamkeit mit Monk und Randy Weston), Jimmy Cleveland, Phil Woods (na ja, aber damals – 1956 – war er noch durchaus brauchbar, den Autopiloten entdeckte er später und auch dann konnte er noch klasse sein, Montreux mit der Rhythm Machine etwa), Seldon Powell, Aaron Bell und Nick Stabulas. Der Schwachpunkt ist das Label, die Produktion – wie so oft bei RCA wird die Sache den geweckten Erwartungen nicht ganz gerecht, wirkt alles etwas sanitized, künstlich brav und kurz gehalten, weil das äusserst konservative Management das so wollte.
Aber ja, ich denke schon, dass Du mit Deinem Pauschal-Urteil falsch liegst. Gulda hat – wie andere no-go-Jazzer, Corea etwa – durchaus einige feine Dinge gemacht. Aber einen wirklichen Überblick habe ich nicht, es gibt ja Vieles und darunter noch ein paar mehr Dinge, die mich interessieren als die drei, vier, die ich schon kenne.
Fake, also wirklich? Die Band finde ich aber schon auch großartig, aber das stimmt schon, da ist ein Ton der Zurückhaltung, ich habe das Album heute Abend nicht komplett gehört, aber im Gillespie-Stück fand ich Gulda dann doch sehr präsent. Und wenn Du sagst, dass das Label da etwas kurz halten wollte, dann passt das ja auf fürchterliche Weise zu Guldas Ausbrüchen aus der Klassik, die er dann doch nicht gefunden hat. Macht mich wieder mal melancholisch.
Gehört hier nicht hin, aber in welchem Gelände spielt denn Corea, wenn nicht im Jazz? Gut, mit Gulda bei einem Mozart-Konzert, aber das muss man wirklich nicht hören.
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