Re: Ich höre gerade … klassische Musik!

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gypsy tail wind […] ich liebe Sterns Ton, diese Verletzlichkeit, diese Innigkeit, ein weites Vibrato, das aber nie dick ist sondern im Gegenteil offen, offenbarend auf eine fast schon bedrohliche Weise – eben weil es so verletzlich und zart scheint. Das scheint mir zu Mozarts Violinkonzerten perfekt zu passen, auch wenn ich die glatteren, gesicherteren Einspielungen einer Julia Fischer oder eines Frank Peter Zimmermann wohl ähnlich schätze, ebenso Heifetz und Zehetmair … und ja, irgendwie auch die romantischen Versionen von Oistrach. Aber heute bin ich ganz bei Stern – bedingungslos, gerade so, wie er musiziert. Hier geht es um das Lebendige.

Das sind wundervolle Einspielungen, sie kommen ganz langsam heran, aber in Überzeugung – und ja: bedingungslos – und setzen sich fest. Da Du Fischer und Zimmermann nennst; ich glaube, Zimmermann ist eher auf diesem Stern-Weg. Er hat, Stern, da einen Ton, in dem er sich selbst erschließt, möchte ich meinen, gerade auch mit Alexander Schneider, dem alten Violinenmann.

Zu Schubert: Ich kann nur zustimmen. Schnabel ist nicht zu übertreffen; nicht im Wettkampfsinn, sondern weil er hinabsteigt, hinaufsteigt, das alles zusammenfügt, mit Brüchen gewiss, mit Fingern auf den Tasten, unvergleichlich, gewiss. Eine sehr seltsame Erfahrung mit ihm ist, dass die Zeit keine Rolle spielt. Er ist schnell! Aber hat Atem, da ist eine Zeit, die unterhalb oder überhalb des Atems liegt – vermutlich genau in ihm. Wenn ich eine Schubertklaviereinspielung wählen sollte: es wäre immer und immerzu Schnabel. (Und sein Mozart ist blendend-erhellend, natürlich gehören Schubert und Mozart zusammen.)

Und Bach, gypsy hat’s gesagt, Hotter mit der Bach-Kantate „Ich habe genug“. Das ist nur noch in verklauselierten Nuancen zu hinterfragen. Selbst hinterfrage ich da nichts, Hotter erschließt das, öffnet die Musik, in einer Wärme des Todes (protestantisch, meinetwegen), die, pardon, Wärme als Freiheit gibt, jedesmal. Und wenn ich noch einmal empfehlen mag: Alfred Deller mit der Kantate „Vergnügte Ruh'“.

Und … die Fantasie mit Busch und Serkin ist großartig, ich habe das in einer anderen Edition, dann auch Schnabel und die Pro Arte-Leute … Aber Busch und Serkin: das ist großes, größtes Spiel (auch die Trio-Aufnahmen).

Vergessen, Brendel. Er spielt, scheint mir, Schubert wie Beethoven wie Brendel. Da ist etwas dran, aber es genügt nicht. Brendel braucht etwas auf’s Dach. So wie Davis das in den Mozartkonzerten gemacht hat. Da ist er sehr schön zu hören, auf einmal. Aber wenn er selbst spricht, sei’s in Klaviersolowerken oder seinen bekloppten Gedichten, mag ich zu anderem gehen. Außerdem kann Brendel keinen Bach spielen.

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