Re: Ich höre gerade … klassische Musik!

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Anonym
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gypsy tail windSo, jetzt geht’s mal wieder ans Eingemachte:

Eine weitere Aufnahme – meine sechste „Zauberflöte“ – ist heute eingetroffen, und die muss geprüft werden. Wenn gehalten wird, was die Ouvertüre verspricht, wird das ein rastantes, mitreissendes Spektakel. Der Arme Tamino Dermotas muss sich allerdings erstmal auf das Tempo einstellen, mal hinkt er hintendrein, dann holt er mit Gehetz (retetetetetetetete) wieder auf, aber danach scheint sich mit den drei Damen alles einzupendeln. Die Besetzung ist ja in etwa dieselbe wie jene des tollen 1951er Live-Mitschnittes von Furtwänglers, der Klang im Studio (bzw. im Brahmssaal in Wien) natürlich besser. Statt Josef Greindl gibt bei Karajan Ludwig Weber den Sarastro und statt Paul Schöffler wird George London als Sprecher mit, sonst sind die Hauptrollen identisch besetzt, auch Monostatos ist der gleiche (Peter Klein), als Papagena hatte Karajan Emmy Loose, bei Furtwängler war es Edith Oravetz. Fängt jedenfalls gut an. Schade allerdings, dass auch hier die gesprochenen Passagen fehlen – sie gehören für mich dazu.

Interessant zu lesen, dass ein „Ersthörer“ sofort hört, was bei Dermota-Karajan Sache war! Dermota war ein erstklassiger, schlank geführter Tenor mit kleiner aber dynamisch flexibler Stimme. Ein idealer Mozartsänger also, der die Grundvoraussetzungen des Mozartsingens erfüllte, nämlich das Wissen, dass die Mozart-Musik allein (!) das Theater macht, sowie die völlige Zurücknahme des Darstellenden im Sinne der Vervollkommnung des Darzustellenden. Dermota war der Prototyp des Karajan-Sängersklaven, der ihm treu ergeben war und menschlich umso niedergeschlagener, als Karajan ihn nicht mehr berücksichtigte, als er aufgrund der ganz normalen Stimmalterung (unkontrolliertes Vibrato, Kurzatmigkeit etc.) Schwächen zeigte, die Karajan nicht zu diskutieren bereit war, sondern einfach registrierte und–ihn fallen ließ. Ein Thema für eine gesangsgeschichtliche Doktorarbeit, die es noch zu schreiben gilt. Offensichtlichster Einstieg: Katia Ricciarelli als Turandot unter Karajan, ein Mäuschen für eine Gigantenrolle. Orchestral großartige Aufnahme, die Titelpartie ist so aber nur im Studio möglich gewesen. Danach war ihre Laufbahn ruiniert.

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