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Anonym
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gypsy tail windAllerdings las ich gerade in den sehr kursorischen Anmerkungen im Booklet, dass Klemperer – nach Mahler und Strauss – damals, zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts, einer der ersten gewesen sei, der sich gegen die herrschende Meinung stellte und das Werk überhaupt aufführte. Die Così galt als misslungenes Werk in Mozarts Schaffen: „musikalisch leichtgewichtig und von zweifelhafter Moral“, so fasst Richard Osborne im Kommentar der Box die Meinung des Neunzehnten über die Oper zusammen. Schwer, das nachzuvollziehen, wenn man die Aufnahmen hört, aber die standen 1914, als Klemperer die Oper in Barmen (Wuppertal) erstmals inszenierte – sein Auftakt als Mozartianer überhaupt – natürlich noch gar nicht oder gewiss nicht in grosser Fülle zur Verfügung.
Ja, Mahler und Strauss haben da einiges getan. Viel Erfolg hatte die „Così“ zu Beginn wohl wirklich nicht, ein-, zwei Handvoll Aufführungen zu Mozarts Lebzeiten, dann von vereinzelten Stimmen – viele Quellen scheint es aber nicht zu geben – abgesehen, gleich das moralisierende Plapperlapapp mit Folgen bei Umarbeitungen in deutsche Versionen. Wenn dann Beethoven noch sagte, er könne mit solchen Stoffen – auch dem des „Don Giovanni“ – nichts anfangen, weil sie eben zu leichtfertig seien und viele mehr in dieses Horn bliesen … E. T. A. Hoffmann natürlich nicht: „Sollte aber die Musik das Komische in allen Nuancen ausdrücken können? – Davon bin ich aufs innigste überzeugt, und geniale Künstler haben es hundertfältig bewiesen. So kann zum Beispiel in der Musik der Ausdruck der ergötzlichsten Ironie liegen, wie er in Mozarts herrlicher Così fan tutte vorwaltet.“ (aus den Serapionsbrüdern)
Hier heute weiter von gestern, ein Sonntag mit den Jungs von Monsalvat – und Kundry natürlich:
Es bleibt schwierig … Gottlob Frick steht Kurt Moll aus der Levine-Einspielung für den Gurnemanz gewiss nicht nach, ja, er mag sogar mächtiger und feiner sein. Ludwig ist weit intensiver als Norman für die Kundry – etwas, was mich immer schon gewundert hat, weil sie, Ludwig, die „Winterreise“ doch sehr lasch gesungen hat, übrigens mit Levine am Klavier -, Assoziationsnuancen, Ausspielen des Lachens, in dem noch der Schrei steckt. Hotter als Titurel irritiert mich ein wenig, weil er Buchstaben verschluckt, aber das macht nichts. Fischer-Dieskau ist sehr gut als Amfortas, das gleiche Brennen wie in der Kleiber-Aufnahme des „Tristan“. Kollo als Parsifal – weit, weit besser als Domingo, zumindest am Anfang, ihm gelingt das Torenhafte wirklich, ohne jede Reibung, ein Knabe, der tatsächlich nichts weiß. Auch Klingsor – „Die Zeit ist da“, seine ersten Worte – das schraubt sich in den Raum, eiskristalline Worte, unglaublich, Zoltan Kéléman, der ihn singt, kenne ich sonst gar nicht. (Und für gypsy: Lucia Popp ist auch als Zaubermädchen dabei, natürlich auch Kiri Te Kanawa, mit der Solti dann noch mehr gemacht hat.)
Solti selbst, das Orchester? Hier bin ich eher zurückhaltend. Wie soll ich sagen, auch Boulez geht nicht gerade den langsamen Schritt von Levine, gewiss nicht, aber er ist dann in dieser Straffheit, die auch Solti zu eigen ist, konsequenter. Hat also Solti bestimmt die besseren Sänger als Levine (bei Klingsor bin ich nicht sicher), so (ver-) schluckt er doch gewissermaßen die „Weihe“. Das allein würde mich nicht stören, aber er versucht, sie durch die Hintertür wieder einzuführen, in einer abruptem Dynamik etwa, die nicht trägt. Für mich jedenfalls noch nicht, auch schon beim letzten Hören nicht, aber alle zehn Jahre ändern sich die Ohren ja vielleicht. Ein Beispiel ist das Zwischenspiel im Ersten Aufzug, nach dem alten Sätzchen: „Zum Raum wird hier die Zeit“, vor dem Eintritt in die Gralsburg. Da schwebt Levine tatsächlich – obwohl er nicht so einen guten Chor hat wie Solti -, er baut Bögen, trägt sie unter irgendeine gotischen Decke, die die Burg wohl auch haben soll, mit Wucht und Ekstase. Und erstaunlicherweise hat er dabei mehr Mut zu Dissonanzen als Solti – der seinerseits tatsächlich mehr auf die Pauke hauen lässt. Er, Solti, hat eine seltsame Art der Einebnung. – Schade, das alles müsste mit Partitur gehört werden.
Mal sehen, wie er hier das macht, diese Einspielung habe ich noch und ausgegraben und das Vorspiel in großer Erinnerung, damals bin ich aber nicht weiter gekommen, nach dem Hinweis gestern auf Mödl als größte Kundry aber …:
Und da ich offensichtlich gerade in Plauderstimmung bin: Gestern wurde in der Wagner-Sendung noch ein Anekdötchen über Knappertsbusch zitiert, Treffen am Nachmittag zur Parsifal-Probe: „Sie kennen das Stück, ich kenne es – wir sehen uns heute Abend.“
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