Re: Ich höre gerade … klassische Musik!

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gypsy-tail-wind
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Ich bleibe bei der „Lumières“-Box, höre, wie auch schon letzte Nacht, die vier Mozart-Sonaten von Andreas Staier am Hammerklavier – und in der Tat stört mich der Klang kaum noch. Den Reiz des Instruments verstehe ich zwar in diesem Fall auch nicht ganz … es klingt doch eigenartig, wabert manchmal, die Töne fliessen ineinander, die Intonation scheint öfter etwas problematisch zu sein – alles Dinge, die beim Cembalo ganz anders sind (weil es viel präziser ist im Klang, selbst bei schnellem Spiel). Es war wohl das Volumen und die Möglichkeit, flüssiger zu spielen, die das Hammerklavier dem Cembalo voraushatte? Jedenfalls ist es, soweit ich verstehe, grundsätzlich dem modernen Flügel ähnlich, ein Vorläufer, der in gewissen baulichen Dingen abweicht aber nach dem gleichen Prinzip funktioniert, ja? Es ist denn ja auch in dieser „Lumières“-Box so, dass manches an modernen Klavieren gespielt wird (Mozarts K 467 von Stevan Vladar, Beethovens zweites Klavierkonzert und die Sonaten Op. 2 No. 1, Op. 31 No. 2 „Sturm“ und Op. 53 „Waldstein“ von Paul Lewis, ebenso wie die Haydn-Sonaten Hob. XVI:20, 24, 50 und 52 von Alain Planès – da habe ich für die beiden letzteren und für Hob. XVI:20 – und acht weitere – auch noch Staier am Hammerklavier zum Vergleich, Haydn gehört habe ich eigentlich sowieso noch nie, er tauchte zwar schon öfter auf, aber mein Augenmerk lag immer anderswo). Anderswo wird allerdings meist das Cembalo oder – seltener – Hammerklavier gespielt (aber die genannten Stücke sind wohl auch in etwa die spätesten, die ich in der Box finden sind).

Nun, wie dem auch sei … ich komme mit Staiers Hammerklavier wirklich ganz gut zurecht und die Sonaten (K 282, K 330, K 332 und K 457) sind natürlich sowieso klasse.

Eine interessante Bemerkung findet sich im Buch, das zu jedem Werk einen Text enthält (geschrieben haben diverse Autoren, hier ein John Irving), zu K 457:

Wie so oft bei Mozart stellt sich die Notation eher als ein Angebot von Möglichkeiten heraus, denn als definitiv. 1990 wurde das lang verlorengeglaubte Manuskript wieder entdeckt und befindet sich jetzt in der Bibliothek der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg. Es stellte sich heraus, dass darin voll ausgeschriebene Verzierungen der Reprisen des Hauptthemas in der Handschrift des Komponisten existieren (auf eingeschobenen Papierstreifen, die nahe legen, dass sie nachträglich erdacht wurden); das lässt uns nicht nur einen Blick auf Mozarts eigene Aufführungen werfen, sondern gibt uns auch die Berechtigung, selber noch mit neuen Möglichkeiten zu experimentieren.

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