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In den letzten Tagen habe ich endlich mal wieder für mich neue CDs angehört, nachdem ich mir seit etwa zwei Jahren keine klassische Musik gekauft hatte.
Mein Hauptaugenmerk galt hier dem Odysseus, einer schwergewichtigen programmatischen Symphonie. Im Gegensatz zu den beiden späteren Symphonien war Herzogenberg hier noch der neudeutschen Schule verpflichtet. Trotz der im Booklet angedeuteten Einflüsse empfinde ich das Werk aber angenehm frei von Wagner (zumal die Tempi schneller sind) und auch Liszt’s beiden Symphonien nicht sehr ähnlich. Wenn, dann drängt sich Ernst Boehe auf, der sich desselben Stoffes angenommen hat.
Die Musik ist schön, technisch einwandfrei ausgeführt, von den melodischen Einfällen aber entfernt von Herzogenberg’s Erster. Deutlich ist mir das kompositorische Können aufgefallen, Bilder drängen sich einem förmlich auf. Leichtfertig war Herzogenberg aber kein vollkommener Orchestrator. Gleichförmig Winden sich Streicher und Blech, Holzbläser bilden fast keinen Kontrast, so dass letztlich wenig hängenbleibt, außer dem an- und abschwellenden Dräuen des Orchesters. Ein ähnliches Problem habe ich auch mit Wagner. Biermann hat das Orchester gut im Griff, das Orchester musiziert zupackend und wohlklingend, ohne dass die einzelnen Gruppen zerfasern. Einzig der letzte Satz könnte interpretatorisch sauberer sein.
Ganz anders ist das bei Franz Schreker’s erster Symphonie, einer Schulsymphonie, der der letzte Satz abhanden gekommen ist.
1899 geschrieben, weist das Werk Schreker bereits als versierten Instrumentator aus und deutet auf seine spätere Genialität als Opernkomponist hin. (Leider ist das seine hauptsächliche Gattung geworden, denn seine wenige Instrumentalmusik ist großartig und weitere Symphonien wären hochwillkommen).
Hier gibt es packende Themen, schnelle Tempi und erfindungsreiche Wechsel. Die Streicher täuschen an, die Bläser locken woanders hin. Ich war wirklich sehr überrascht und im zweiten Satz wunderte ich mich gerade über das fehlende Presto, als die Musik über den Haufen und ich eines besseren belehrt wurde. Leider fehlt der letzte Satz und das Ausklingen im piano des dritten Satzes lässt unbefriedigt zurück. Jedenfalls begann ich gleich mit einem weiteren Hördurchgang.
Auch hier wieder ein gut aufgestelltes Rundfunkorchester, dass besser ist, als so manch anderes, besser bekanntes Orchester.
Gerade sitze ich jedenfalls mit einem etwas säuerlichen Espresso in der Küche und höre eine etwas liebliche Dritte von Schubert. Wiener Philharmoniker unter Muti. Schön, wie hier klassische Elemente mit romantischen einhergehen und Muti sehr temperamentvoll leitet. Aber es sind halt die Wiener und die sollten Schubert schon exerzieren können.
Interessant auch hier das Geschick bei der Instrumentierung, wenn man sich dagegen Schumann anschaut, der so manche Schwächen zeitlebens nicht ausbügeln konnte.
Zupackende Musik, die an einem entspannten Samstagvormittag ebenso funktioniert, wie am Abend im Konzerthaus.
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III