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clasjazZu Rihm hatte ich es leider nicht geschafft, man klatschte gerade, als das Stück vorüber war. Grimaud und das Orchester im ersten Brahmskonzert waren schön, das schon. Aber so recht bewegt hat mich das nicht. Dem anschließenden Kritikergespräch wollte ich dann auch nicht mehr zuhören, nachdem Meyer-Crepon (oder Müller-Crepon?) schon nach dem Rihm-Applaus typische „Klassik-Interviews“ geführt hat mit Gaffigan und Begemann; und als er dann nach dem Brahms ihr weit fallendes Kleid – oder waren es nur Hosen? – gerühmt hat, obwohl er nicht sagen könne, ob das Leinen oder Seide oder ein Gemisch aus beiden sei … jedenfalls weiße Schuhe. Und so habe sie auch gespielt … Danach hatte ich keine Lust mehr, ihm zuzuhören. Der Rihm hätte mich aber mehr interessiert, bisher kenne ich von ihm wenige Lieder, mehr nicht.
Statt des Kritikergesprächs habe ich dann eben später noch das zweite Brahmskonzert gehört mit Toscanini und Horowitz, 1940. So, ja! In diesen Brahmskonzerten, ob eins oder zwei, kann vor allem sich das Orchester ständig verlieren im bloßen Spiel, sich als „Teppich“ missverstehen und sogleich latscht dann auch der Pianist einfach drüber. Toscanini und Horowitz, einmal mehr – ich kann das erste Tschaikowsky-Konzert überhaupt nur mit den beiden hören – fegen das alles einfach zur Seite. Und ob es da mechanisch knistert und knattert, spielt überhaupt keine Rolle.
Ja, bei mir war’s auch schon spät (Rihms, hallo!?). Müller-Crepon. Gute Radiostimme, gewiss kein schlechter Typ, aber wohl eben auch einer, der wegen der Stimme da ist und nicht nur wegen dem, was er so erzählt … aber mich dünkt ja gerade dieses Verfeinerte in der Klassikwelt schon ziemlich präsent – Eleganz, Värf, wie der Herr gestern meinte, dieses ganze Image drum herum, das weite Teile der Hörerschaft sehr zu pflegen scheint – das war wohl mit ein Grund, warum ich mich so lange nicht mit der Musik befassen mochte (der Hauptgrund war natürlich, dass ich schlicht zu viel Lust auf die Entdeckung der Welt des Jazz hatte in den vergangenen fünfzehn Jahren).
Ich habe die Kritikerrunde noch angehört, das war dann besser, ging jedenfalls nicht um Leinen oder Seide. Thomas Meyer (dies der Herr ohne Radiostimme aber mit viel Inhalt) fand, dass das Orchester und Grimaud (jeweils für sich) nie in Fluss gekommen seien beim Brahms, wenigstens nicht in den ersten beiden Sätzen. Dies sei allerdings Grimauds Strategie, dieses Bremsen, Zurücknehmen, daher sei auch Gluck eine gar nicht überraschende und zu ihrer Methode äusserst passende Wahl gewesen, sei er doch genau der Komponist, der dieselbe Methode pflege wie Grimaud. Ich hoffe, dass ich das einigermassen korrekt wiedergebe.
Das Fazit zu Rihm war ebenfalls durchzogen, Jenny Berg, die dritte in der Runde, fand, dass ihr manches zu wenig verschleiert gewesen sei, zudem dass die öffnenden Worte Rihms keine so brillante Idee gewesen wären, weil sie unweigerlich das Hören in den ersten Minuten in gewisse Bahnen gelenkt hätten.
Beiden fanden allerdings, dass die Kombination der beiden Werke sehr gut funktioniert habe, dass man Brahms durchaus mit anderen Ohren gehört habe nach dem Rihms. Abgesehen vom Goethe-Lied wurden ja schon alle vier Teile (wo Teile drei und vier ineinander übergingen habe ich allerdings verpasst) mit der Symphonie kombiniert, die sie jeweils als Anregung nahmen, in Luzern uraufgeführt, der gestrige Abend brachte, so habe ich es verstanden, dann die erste integrale Aufführung mit dem dazwischengeschobenen Goethe-Lied (zu dem Berg fand, das hätte am Anfang oder Ende der Rihm-Symphonie stehen müssen, mittendrin habe das nicht gut gepasst).
Ich habe jedenfalls auch Lust gekriegt, die Brahms Klavierkonzerte wieder in anderen Aufnahmen zu hören.
So … demnächst auf Ö1:
http://oe1.orf.at/programm/310723
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