Re: Ich höre gerade … klassische Musik!

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katharsisWas bedeutet für Dich eigenartig in diesem Kontext? Und findest Du beide Konzerte wirklich tendenziell eher rückwärtsgewandt (also nach Mendelssohn gerichtet) als vorwärtsgewandt? Ich finde, dass Schumann insbesondere im Cellokonzert einen Gesamtton und eine Kohärenz findet, und damit weiter in die Zukunft blickt, als er es mit seinen anderen Orchesterwerken tat.
Wobei ich aber auch gerne sage, dass Mendelssohn seiner Zeit durchaus voraus war.

Da habe ich mich etwas seltsam ausgedrückt. Ich meinte nicht so sehr das Vor- oder Rückwärtsgewandte, die Konzerte von Schumann stehen für mich sehr allein da – was auch mit meiner geringen Kenntnis der entsprechenden Literatur zusammenhängen mag -, aber ich sehe in der Verknappung der Mittelsätze die Anregung durch, die Anknüpfung an das Mendelssohn-Konzert. Im Brahms-Violinkonzert hingegen ist der Bezug weitaus mehr Beethoven. Was ich bei Mendelssohn und Schumann so eigen- und einzigartig finde, ist der Beginn einer anderen Darstellung der Langsamkeit, ich formuliere das einmal so technisch, weil man sich über die Möglichkeit, das komplette Schumann-Violinkonzert als „Liebeslied“ zu bezeichnen, ja streiten kann – das komplette, eben nicht nur den üblicherweise für solche Dinge vorbehaltenen Mittelsatz. Umgekehrt gesagt, scheinen mir Schumann und Mendelssohn die Konzerte aus dem Zentrum der Mittelsätze zu gestalten, zu erfinden, Mendelssohn ist im dritten Satz etwas nachlässiger und geht dann in’s Virtuose. Damit meine ich nicht – und weiß es auch nicht, das wäre mal interessant zu wissen -, dass zuerst die langsamen Sätze komponiert wären, sondern dass die erste Idee diesen Sätzen galt und die anderen, natürlich der Form verpflichtet, daraufhin komponiert sind. Um einen Vergleich zu ziehen: die „übliche“ Sonatenhautpsatzform, die auch in Symphonien ausgespielt wurde, verdichtet sich zu „Symphonischen Dichtungen“. Bewerten – im Sinne von Vorwärts oder Rückwärts – kann ich das nicht, möchte es auch nicht. Es ist ein Weg, der in den Strudeln der Kunst zu ergreifen war und mich bei Mendelssohn wie bei Schumann sehr bewegt, immer wieder.

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