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Anonym
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Heine, der Mann des üblen Gegentraums, der ihn nicht loslässt. Verhübscht in Gedichtbänden in der Fußgängerzonen-Auslage: „Auf Flügeln des Gesanges“. Dass das mal anders war und Mendelssohn zu ihm griff, wundert mich nicht und doch bin ich froh um diese Neukomposition von Aribert Reimann. Mag es daran liegen, dass ich mich gegen ein Streichquartett kaum wehren kann: Reimann nimmt als Begleitung also ein Streichquartett, bleibt dabei im „Ton“ Mendelssohns, schiebt dann aber immer wieder Intermezzi für Streichquartett-Solo (ja, das erfinde ich jetzt mal so) ein, die kommentieren, aufbrechen, irritieren, also die romantische Kargheit herausstellen – denn Kommentar, Aufbruch, Irritation sind in diesen Texten, nur nicht genug, könnte man sagen, daher dann Leute wie Mendelssohn, Schumann und, natürlich, Schubert, die das alles zuspitzen und auf den Gipfel stellen.
Reimann geht da hoch. Übersetzt, kommentiert, bricht auf, irritiert, erneut. Und hat ein Urteil, einen Antrieb vielmehr, der sich sehr zeigt im Abbruch und der Änderung des letzten Gedichts aus dem Mendelssohn/Heine-Zyklus. Da steht in den Versen: „Warum steigt denn aus dem Balsamkraut / verwelkter Blütenduft?“ Und es geht noch ein paar Verse weiter. Reimann ändert das: „Warum steigt denn aus dem Balsamkraut / Hervor ein Leichen …“ Eine Änderung, ein Abbruch, das „Ausklingen“ hörbar zu machen.
Und das, um sie nicht zu vergessen, kann Schäfer einmal mehr. Mit dem Petersen-Quartett ist sie in einer furchtbar-drängenden Alliance, vom Quartett gibt es auf der CD dann auch noch das dritte Schumann-Streichquartett mit einem Furioso risoluto im zweiten Satz, das in dieser Klarheit reichlich überwältigt.Es bringt einen auf die Idee, dass es Musik geben könne, die unhörbar ist.
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