Re: Ich höre gerade … klassische Musik!

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katharsisDas kann ich gut nachvollziehen, zumindest weil ich Barenboim ebensowenig als ultima ratio sehe. Ich sehe ihn nach wie vor primär als Dirigenten, erst danach kommt das Klavier.

Barenboim kenne ich allenfalls vom Spiel mit Du Pré, vor allem auch das „Geister-Trio“ mit einem wunderbaren Pinchas Zukerman, als er noch Violine spielte, dann noch die Beethoven-Klavierkonzerte mit Klemperer. Das ist in Momenten mehr oder weniger schön, das Klavier, und deshalb hatte ich nie Lust, ihn als Dirigenten zu hören. Deshalb kann ich dazu nichts sagen. Sieht er sich selbst auch primär als Dirigenten, ich frage, weil er ja Bach auch nach Beginn seiner Dirigierzeit eingespielt hat, am Klavier. Aber warum auch nicht. Diese Wechsel vom Soloinstrument zum Pult gab und gibt es ja oft, Menuhin, Bernstein, Ashkenazy, Holliger – elend, dass Gould genau in dem Moment gestorben ist, als er das Klavier aufgeben wollte und Bachs h-moll-Messe, Beethovens Achte und dergleichen dirigieren wollte. Immerhin, Wagners „Siegfried-Idyll“ ist ja da.

katharsisArgerich mit Maisky beispielweise, wobei mir das nicht nah genug ist. Eine wirklich gute Alternative wären Isserlis und Hough (Hyperion). Sehr nüchtern, direkt, ohne falsches Pathos, dabei doch dicht an der Emotionalität des Stücks. Gerade Hough ist fast eine Offenbarung am Klavier (auch was seinen Beitrag zu anderen Werken angeht). Beide Musiker sind inniger miteinander verwoben und gehen der Musik auf den Grund. Bei du Pré ist mehr Druck, mehr Atemlosigkeit zu spüren, Isserlis ist kontrollierter, aber vielleicht auch näher an der Musik. Ich bin gespannt auf Deine Resonanz, wenn Du Gelegenheit zum Hören hast. Es gibt noch eine andere Einspielung mit Isserlis und Devoyon, die ich aber nicht kenne.

Zu Maisky zieht mich nicht viel, ich habe ihn bei verschiedenen Sachen gehört, auch mit Argerich – in den Sonaten von Bach – und Argerich und Kremer – bei Schostakowitsch und Tschaikowsky – und noch anderes. Aber, abgesehen von Kremer manchmal, bewegt mich das alles überhaupt nicht.

Isserlis und Hough hingegen, das hört sich interessant an, obwohl ich da etwas nicht verstehe: Sie seien vielleicht näher an der Musik, Du Pré sei atemloser, mit mehr Druck. „Drücken“ muss man die Noten ja allemal, wenn etwas begeistern soll. Findest Du, wenn Du das so einander gegenüberstellst, dass die Sonate von Franck nicht so viel hergibt? Obwohl sie es ja, wie Du Pré für Dich zeigt, tut? Ich werde mich um die Isserlis/Hough-Aufnahme kümmern, habe mir heute seine Website angesehen und war erschrocken, welche Alterung in sein Gesicht gegraben ist.

katharsisWas meinst Du eigentlich genau damit, dass „etwas möglicherweise nicht stimmt“?

Damit meine ich, dass das Klavier dem Cello nicht entspricht bei den beiden. Oder sie beide nur beiläufig miteinander sprechen. Und in einer Sonate für Violine und Klavier (das ganze ist ja nur ein Arrangement für das Cello) ab Mozart spätestens sind beide Instrumente wichtig. Weil das oft unterschlagen wird, lechze ich geradezu nach Violinsonaten, Cellosonaten, in denen das Klavier besser als das vermeintliche Soloinstrument ist. Auch deshalb werde ich mich nach Deinen Worten auf den Weg nach Hough machen wollen.

katharsisMir ist das Cello wesentlich näher, als die Geige. Kommt für mich aus dem Bauch, ist unverstellt und dabei kräftig. Geige ist mir häufig zu kopflastig, macht Eindruck in den hohen Tönen, verstellt den Blick. Das Cello berührt mich meist direkt, die Geige häufig erst über Umwege. Ausnahmen gibt es natürlich zu Hauf, bspw. bei den Violinkonzerten von Bruch.

Da sind wir Antipoden. Gerade den Bauch des Cellos möchte ich immer in den Kopf hinauf gespielt bekommen. Kräftig ist die Violine, im Vergleich zum Cello, nicht, das stimmt. Aber „verstellt“? Sie ist klarer, nicht nur Darm. Ich schreibe das einfach so hin, weil die Assoziationsketten und ihre Formulierung in Worten schwierig sind. Dass Du als Ausnahme ausgerechnet die Bruch-Konzerte nennst, ist aber sehr stimmig, denn da brauche ich schon wirklich große Leute für die Lust im Kopf. – Aber, kennst Du die Cellosolo-Sachen von Max Reger? Ich kenne nur die Einspielung mit Guido Schiefen – ich weiß nicht, was er heute macht -, die sind voll von Klang, aus dem Bauch, mit teils wahnsinnigen Bögen.

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