Startseite › Foren › Kulturgut › Print-Pop, Musikbücher und andere Literatur sowie Zeitschriften › Die Drucksachen › Musikbücher › Wolfgang Doebeling – Pleased To Meet You › Re: Wolfgang Doebeling – Pleased To Meet You
Zunächst einmal möchte ich dem Autor zu dieser tollen Veröffentlichung gratulieren. Von der ersten vagen Ankündigung bis zum fertigen Buch hat es ja schon ein wenig gedauert, aber wenn man den Band erst einmal durch hat, weiß man auch warum.
Das erste Interview mit Mick Jagger erscheint mir noch etwas vorsichtig herantastend und vielleicht noch von zuviel Ehrfurcht geprägt. Zwar gibt es eine kurze Passage, in der Jagger auf seine Nähe zu den Tories angesprochen auch mal leicht in Verlegenheit gerät, doch ist es erstaunlicherweise Wolfgang selbst, der daraufhin den Rettungsanker wirft und auf das aktuelle Album zu sprechen kommt. Das zweite Gespräch ist dann deutlich zupackender, es gelingt ein hervorragendes Portrait, und ob man den Portraitierten nun als sympathisch wahrnimmt oder nicht, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Und trotzdem, wie wohltuend ist gleich danach das Interview mit Keith Richards, der aus seinem Herzen wie üblich keine Mördergrube macht! Auch Bill Wyman gibt mehr preis als ich vermutet hätte, während das Gespräch mit Charlie Watts doch in erster Linie auf dessen musikalische Sozialisation eingeht und vor allem für Jazzkenner ein Fest sein muss. Ich gehöre bekanntlich nicht dazu, doch das ist nun wahrlich nicht das Problem des Autors.
Von den weiteren Interviews hat mich insbesondere das mit Ray Davies begeistert. Hier wird wirklich alles abgedeckt: die Persönlichkeit des Künstlers, seine politischen und gesellschaftskritischen Ansichten, die Bandchemie und nicht zuletzt das Werk in Verbindung mit der jeweiligen Zeit. Aus manchen Kinks-Büchern erfährt man vermutlich weniger als auf diesen 34 Seiten. Genauso fantastisch das Gespräch mit Elvis Costello: Keine Manöver, sondern kluge, konzentrierte und ehrliche Antworten auf direkte und durchdachte Fragen. Was mir hier überdies noch besonders gefällt, ist, dass es einen guten Eindruck der Zeit vermittelt, in der es stattfand. Das damals noch recht neue MTV, die ersten Karriereschritte von Roddy Frame, das aktuelle Album der Rolling Stones („Undercover“) – zu allem findet Costello sehr klare Worte des Lobes oder der Abgrenzung.
Besonders gern gelesen habe ich auch die Einleitung bzw. die Anmerkungen zu den jeweiligen Interviews. Hier ist wirklich jedes Wort Gold wert, insbesondere, da der Autor weder sich noch andere schont. Was wohl eine ganze Sammlung nur dieser Beobachtungen für ein Buch ergeben würde! Da bliebe dann sogar Platz für den Streich, den die Stranglers dem geschätzten Interviewer einst spielten; eine Geschichte, die ich vor Jahren einmal selbst von ihm erfahren habe. Aus Sicht mancher Leute wäre ein solches Buch vielleicht nur eine Fingerübung, aber das Große im Kleinen zu finden ist keine geringe Kunst. Doch man soll nicht zuviel verlangen. Im Moment freue ich mich erst einmal an dem ersten Band und natürlich auch über die darin enthaltenen Ankündigungen weiterer Ausgaben. Um eine Formulierung aus dem Fußball zu bemühen: Was wir jetzt brauchen, ist eine Serie.
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