Re: Der deutsche Jazz

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gypsy-tail-wind
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Danke, kannte ich nicht. Die erwähnten Aufnahmen sind alle im Amiga-Set „Jazz in Deutschland aus dem Amiga-Archiv 1947-1965“ zu hören…. das Problem ist, dass sie überaus steif sind, so gar nichts vom Impulsiven, Fiebrigen haben, das den Bebop ausmacht.

Coco Schumann ist allerdings auf jeden Fall eine Erwähnung wert!

Das mit dem steifen, quasi notengetreu vorgetragenen, Bebop war in der Schweiz übrigens auch so. Ich kenne da allerdings nur ganz wenige Stücke. Die Entwicklung ging dann aber etwas anders, mit Flavio Ambrosetti gab’s wenigstens einen sehr flüssigen und coolen Hardbop-Saxophonisten. Hardbop – wir hörten’s in meinem BFT – war in Deutschland ja irgendwie bei allem Spass an der Musik auch noch eine eher steife Sache… erst danach, als die Fesseln der Funktionsharmonik ganz gesprengt waren oder wenigstens sehr viel gelassener mit ihnen umgesprungen wurde, scheint sich in Deutschland wirklich was zu tun.

Bei den Franzosen gab’s durchaus passablen Bebop. Die Sachen, die Du erwähnst, kenne ich zwar nicht, aber andere Aufnahmen von Henri Renaud mit Bobby Jaspar und Sandy Mosse (diese CD mit Renauds Saturne-Sessions, die Paris Jazz Corner herausgegeben hat). Das hat schon eine andere – und ja: bessere – Qualität, als die paar Sachen, die ich aus Deutschland und der Schweiz kenne. Aus Italien kenne ich ein paar Stücke von Gil Cuppini (der später mit Wilen, Goykovich, Gruntz und Geier eine wunderbare Hardbop-Scheibe vorgelegt hat), die auf der ersten Doppel-CD der Soul Note-Ausgabe von Giorgio Gaslinis komplettem (frühen) Werk zu finden sind. Auch das scheint mir vergleichsweise lockerer, weniger an den Noten klebend, lebendiger gespielt.

Nochmal zu Frankreich: natürlich machten Jasper oder Wilen keinen reinen Bebop, auch Hubert Fol nicht (um mal in die Vierziger zurückzugehen… Fohrenbach gab’s da auch schon, aber wie Guy Lafitte hing er dem Swing an, war am ehesten von der Hawkins-Schule geprägt… und wohl von Don Byas, der damals in Frankreich und Spanien lebte und spielte). Aber die Musik von Jaspar und Wilen ist ohne Bebop nicht vorstellbar, ohne „Bebop-Informiertheit“ oder wie man das nennen will jedenfalls. Das könnte man bei Hans Koller auch sagen, aber er bleibt dann eben im deutschsprachigen Raum der einzige, oder? Flavio Ambrosetti war dann vielleicht schon bald der nächste (er gehörte 1949 zu Hazy Osterwalds Band, die in Paris für Aufsehen sorgte, wie Hazy mit Miles spielte er dort mit Parker…), aber ihm sollte nie grosse Aufmerksamkeit zuteil werden (und er war, wie Sohn Franco, immer Amateurmusiker, so diese Unterscheidung bei Leuten auf diesem Niveau denn noch Sinn machte… Flavio war Fabrikant, Franco hat den Betrieb übernommen… keine Ahnung, wie das mit der nächsten Generation aussieht, aber Francos Sohn steht inzwischen auch mit dem Vater auf der Bühne).

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