Re: blind fold test #11: vorgarten

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gypsy-tail-wind
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#1 – Hm, nicht so ganz mein Fall… die manche Sounds finde ich toll, das Piano, das streckenweise wie eine Spieluhr klingt, ist hübsch, und wohl die Spur zum ganzen… aber das könnte ich nicht allzu oft hören.

#2 – Yeah! Das kenn ich… Woody Shaw? Der Groove, der vom Pedal-Point-Bass und den rotierenden Drums gesetzt wird, ist fantastisch, drängend und zugleich lose. Die Bridge im straighten 4/4 führt dann quasi zu einer Erlösung, in der die Solisten in fliessende Linien ausbrechen. Gefällt mir sehr, die kurzen Soli, der feste Rahmen, der doch Freiräume lässt, und besonders der lose Swing! Kann auf die Schelle bei Shaw nichts passendes finden… und komme – hélas! – mal wieder nicht drauf, wie das Stück heisst oder von welchem Album ich es kenne. Ach so… doch! Blakey! Yeah! Mein erstes und immer noch liebstes Blakey-Album… – die Scheibe kenne ich noch nicht, nur die paar Jahre davor für Blue Note entstandene andere Hommage-CD. Passt jedenfalls, dass der Drummer der Leader ist. Posaune ist fantastisch, Altsax sehr schön (wir bleiben uns einig bei diesem Herrn!), Trompete glänzt und erinnert auch nicht soo sehr an Shaw (ich dachte an ihn wegen dem ganzen Sound der Band, nicht wegen dem Trompetensolo, das gar noch nicht begonnen hatte, als ich „Shaw“ tippte). Tenor find ich dann weniger toll, aber auch ganz okay. Die Rhythmusgruppe ist super, ganz besonders der Drummer, der auch etwas aus dem Stück macht, das es über die Vorlage hinausbringt.
(Einen Link poste ich hier jetzt ganz bewusst nicht, weil mir scheint, dass die Impuls-Kontrolle der anderen Mitspieler oft nicht so gut zu funktionieren scheint und das halt eben doch den Spass verdirbt!)

#3 – Toller Sound, Flöte, Gitarre ganz nah am rein akustischen Sound. Schön, wie die Linien sich verweben, wie der Bass zugleich Fundament legt und ins Geschehen eingreift, wie die Posaune dazustösst – sehr warme Musik, manchmal eine Spur zu hektisch… keine Ahnung übrigens, wer der Leader ist hier – könnte jeder sein, und das ist schön, denn wir hören hier echte Gruppenmusik.

#4 – Schöne Idee, ein kleines Tenorsolo, direkt, unprätentiös, packt mich aber nicht ganz – da müsste ich mehr hören, weiterhören! Schöner Ton – und wie #2 und #3 wird das gleich mehrfach gehört und wächst auch schon langsam. Stammt das von einem Solo-Album oder ist das nur ein kleines eingestreutes Ding?

#5 – Die Klarinette ist ein so wunderbares Instrument, man kann es gar nicht genug bedauern, dass sie im Jazz seit über siebzig Jahren so an den Rand gedrängt worden ist! Das ist ganz gross! Absolut für mich, dieser Track! :sonne:
Ich dachte mal ans Perry Robinson Trio (von dem ich nur einen Live-Mitschnitt kenne, den ich mal wieder ausgraben muss!) – aber egal wer das ist, ich will nicht rätseln, ich will’s nur hören, immer wieder! Danke!

#6 – Ein kleines Intermezzo für tiefes Holz (nunja… ein paar Kilo Blech und ein paar Gramm Schilfrohr, hatte ich ja auch schon am Hals). Gefällt mir ganz gut.

#7 – Toller Ton am Tenor! Ob mir das ganze gefällt, weiss ich nicht, die liegende Orgelbegleitung finde ich ziemlich öde, den Beat auch – liegt aber am Bass, der Drummer ist toll! (A propos Drummer: der in #5 ist spitze!)
Klingt irgendwie nach ollem Pop-Cover, die Orgel/Bass-Begleitung – der Organist kommt ja nicht mal in seinem Solo richtig davon los, schade! Dennoch, dank dem robusten, gelassenen und doch drängenden Tenor ein ganz guter Track, wenngleich er am Ende etwas zu lange dahinplätschert. Definitiv ein Pop-Song.

#8 – Here we go again… ;-) – gefällt mir! In der Wiederholung sogar immer besser, wie der Groove sich durchzieht, auch dann nicht vergessen gerät, wenn er mal kurz nicht präsent ist…. ein Stück, das einen richtig tief in den Bann ziehen kann, in einen Strudel, einen grossen Sog entwickelt.

#9 – Eine leise, feine freie Improvisation… schön, aber kurz – auch hier müsste ich weiterhören, um das einschätzen zu können – und würde gerne weiterhören, ganz besonders live!

#10 – Warum ist das für Friedrich und nicht auch für mich? Bin beleidigt ;-) Wunderbar, wie der Bass die Stimmung setzt, ruhig, gelassen, mit tollem Ton, die Drums schleichen sich leise ein, dann die Klarinette, zuerst im chalumeau, dann der Sprung ins hohe Register… und dann die Unisono-Passage mit dem Arco-Bass und den funky Drums. Wow! Könnte jemand wie Freddie Waits sein an den Drums… und so erinnert mich das Stück auch daran, dass ich Bobby Jones‘ wunderbares Enja-Album hervorsuchen muss (hab ich schon mal vor Wochen und darum liegt’s jetzt irgendwo und ich weiss nicht wo…)
Das Thema ist irgendwie eine Kreuzung aus „Body and Soul“ und „Lover Man“, harmonisch… zumindest der Auftakt. Verwirrend, aber schön gemacht, man fühlt sich abgeholt.
Ganz toller Track! Die beiden Klarinetten-Stücke sind vor dem Piano-Solo und der Blakey-Nummer die grossen Highlights!

#11 – „Two for the Road“… tolle Stimme, einmal mehr klasse Drums… überhaupt schöne Begleitung. Nicht gänzlich intonationssicher – oder wohl eher idiosynkratisch geworden mit der Reife… halb gesungen, halb gesprochen – toll!

#12 – Das Alt klingt verdammt vertraut… und ist auch klasse! Wohl so ein Typ, den man an sich mit der erste Phrase erkennen sollte, aber ich stehe auf dem Schlauch. Der Bass beginnt mich auf Dauer (beim dritten Durchgang) etwas zu langweilen, aber der Groove passt und was der Drummer so alles anstellt über den an sich öde-pushenden graden Beat, das finde ich auch ziemlich toll! Das mit dem Bassisten ist ja sicher genau so gewollt, aber ich würde lieber etwas noch loseres, freieres von diesem Trio hören… und bin auch hier am Weiterhören interessiert!

#13 – Das Tenor hier klingt mir im direkten Vergleich fast etwas zu mühelos-flüssig, zu wenig zwingend – aber einmal mehr ein schöner Ton und diesmal auch eine tolle Rhythmusgruppe (mit einem ganz anderen Drummer, ganz anderer Stil, Sound, Time). Wie man hier an der Hand genommen und auf eine immer schneller werdende Karussel-Fahrt mitgenommen wird, das gefällt mir schon sehr gut! Das Ding kommt mir in der Tat zugleich statisch und sehr bewegt vor, erinnert auch ein wenig an den Groove des späten Joe Henderson.

#14 – Und dann das Post-Coltrane/Tyner-Kontinuum… das mäandrierende Piano bricht die getragene Stimmung allerdings ein wenig, schön der EJ-Beat, als der Rhythmus einsetzt… am besten gefällt mir allerdings, dass hier vieles angedeutet, aber nicht „notengetreu“ umgesetzt wird. Das hier ist keine Kopie sondern ein Versuch, die Musik, auf die man sich bezieht, fortzuschreiben.

#15 – Eine letzte Miniatur, „There Will Never Be Another You“… sehr schön! Ein Stück, das ich gerne mag. Und ein weiterer toller Drummer am Werk. Tenor klingt fantastisch! Schade, dass das so kurz ist, ich hätte gerne ein Solo gehört!

Vielen Dank für diese schöne Zusammenstellung, erstmal bin ich glücklich, hab gar kein Bedürfnis, mit dem grossen Rätseln anzufangen, und warte gespannt auf die Rückmeldungen der andern!

PS: die Bobby Jones-CD habe ich während dem vierten Durchgang von #14 gefunden! Wird gleich in den Player geschoben!

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