Re: Blind Fold Test #10: JanPP

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gypsy-tail-wind
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Also… nach nicht ganz zwei Durchgängen auch mal erste Eindrücke. Hatte leider wenig Zeit die letzten Tage und der Kopf steht mir ja nicht oft nach solcher Musik, daher hab ich noch nicht öfter reingehört.

Interessant, mal was in diese Richtung zu hören, ist das natürlich schon, dafür auch meinen herzlichen Dank an Dich, JanPP!

Ich hab mal noch gar nichts gegoogelt, da ich von den meisten Musikern, die’s hier zu hören gibt wenn überhaupt eh bloss die Namen kenne…

#1 – Schönes Gewaber, gefällt mir, aber geht nirgends hin. Muss es auch nicht, als Intro… aber ich hätte gerne weitergehört! Keine echte Orgel oder? Oder sonst eine mit viel Midi-Zeugs und irgendwelchen Produktions-Tricklein?

#2 – Klischee-Piano-Lick, wie es oft auch in irgendwelchen superschlauen Afro-Kubanischen-Nu-Jazz-Projekten zu hören gewesen war (ich denke grad an Nuyorican Soul, die ich mal ganz gerne mochte und irgendwo immer noch haben müsste). Die Trompete klingt erstmal etwas nach Miles, elektrische Phase… Tabla gefällt mir, Orgel und Piano-Mix auch ganz gut – ist das vom selben Album wie das Intro? Ermüdet mich auf Dauer ziemlich… den Tabla-Beat find ich ziemlich öde – da hätte man viel mehr machen können! Das ganze scheint mir eher eine vertane Chance und mag mich nie zu fesseln, auch wenn ich mir mit derselben Besetzung tolle Dinge vorstellen könnte… mit etwas mehr Mut zum Risiko und etwas… klareren Ideen (härtere/intensivere Beats, ausgespaarteres Piano, mehr Mut zur Pause bei der Trompete…) – die Ingredienzien gefallen mir, aber das Resultat nicht besonders.

#3 – Ein hübsches kleines Intermezzo, gefällt mir, was hier mit dem Trompetenton alles angestellt wird und der Beat kickt auch ganz schön fett, als er gegen Ende richtig einsetzt. Schön, aber nichts grosses.

#4 – Hm… ich glaub da mag ich dann fast lieber „richtige“ EAI, das Piano stört irgendwie (überhaupt überrascht mich bis hierhin, wie präsent das Piano ist). Das höre ich jetzt auch nur, weil ich die letzten Tage mehrmals Marc Coplands „Time Within Time“ und darauf „Some Other Time“ gehört habe, aber die Stelle bei 2:30 ist ein (ungewolltes?) Zitat? Fetter Bass dann, das Stück beginnt mir immer besser zu gefallen!

#5 – Das erinnert in der Manipulation der Stimme etwas an #3 und die Trompete. Gefällt mir sehr! Die Idee, simples Händeklatschen reinzumischen in die völlig elektronische Kulisse ist toll. Ist das ein arg komprimierter E-Bass oder doch alles nur aus dem Synthi? Nicht dass es eine Rolle spielt… der Bass-Sound ist toll! Ich mag das auch sehr, wenn ein gespielter Bass so klingt!

#6 – Und schon wieder Piano… diese Acid Jazz-Piano-Licks gehen mir – pardon! – auf die Eier, und zwar schon seit der Mitte der 90er mit Urban Species und ähnlichem (ich glaub die einzigen CDs, die ich aus der Zeit hie und da noch auflege sind „100 and Rising“ von Incognito und seltener die Brand New Heavies mit „Shelter“…) – aber egal, das Piano bleibt marginal, das Rhodes (oder Snythi-Rhodes) ist hübsch, der Bass und der Beat gefallen mir – trotz dem Anfang ein weiteres gutes Stück!

#7 – Yeah! Toller Groove! Schöner Gitarren-Sound, der nicht unvertraut klingt… Scofield? Mit Joe Lovano? Gefällt mir sehr, der Groove und der warme Sound hier! Absehbar natürlich, aber das ist bis hierhin mein liebster Track. Das verhaltene Tenor, der fette Groove, der sparsame Beat, dazu die Gitarre als Hauptstimme. Schön! Auch das nichts grosses, einfach ein paar tolle Musiker, die Spass haben, sich Zeit lassen, etwas aufzubauen und am Schluss wunderbar effektiv wieder runterzukommen… toll gemacht!

#8 – Und weiter gehts durch den Grapevine… nochmal sehr schön! Im Sound etwas verfremdeter, im Groove wieder laid back und karg, eine weitere warme Gitarre mit leichtem twang… Frisell vielleicht? Würde schon passen, besonders in der zweiten Hälfte. Sehr tolles Stück!

#9 – Die obligate Flöte… hab ich schon längst erwartet ;-) Ui, unisono mit Stimme und mit mehr nervigem Piano dahinter. Klingt brasilianisch, Bossa aus den Sechzigern ist jedenfalls die Referenz hier. Toller Bass… nicht ohne Charm, aber die Flöte stört am Ende vor allem und das Piano ist das pure Gegenteil des wunderbar relaxten Spiels von Tom Jobim, dem grossen Meister des reduziert-minimalistischen Bossa-Pianos. Leider überzeugt mich das entsprechend nur teilweise… ich wäre aber durchaus dran interessiert, die Sängerin und den Bassisten im Duo zu hören oder auch im Trio mit dem Piano, wenn man dem Herrn vorher ein paar Sedative ins Wässerchen geschüttet hätte. Die Soli sind mir zu ausschweifend, und auch hier nervt der Pianist, auch in der Begleitung des Bass-Solos, das eigentlich eh nicht nötig ist, weil der Bassist ja schon das ganze Stück hindurch soliert. Am Ende fasert alles aus und ein Fade-Out ist folgerichtig cop-out.

#10 – Das hier gefällt mir ganz gut… und passt von der Atmosphäre her auch schön zum Vorgänger.

#11 – Der Beat hier ist ziemlich grob und dumpf… aber das Piano gefällt mir für einmal ganz gut. Wie #10 ziemlich einprägsam… aber der Beat wird mir zuviel (bzw. zuwenig). Euro-Dance von einem Piano-Trio gespielt? Nicht meins, pardon. (Den russischen „Teufel[haha!]s“-Geiger dazu und der Grand Prix Eurovision ist zu gewinnen!)

#12 – zieht gewissermassen spurlos an mir vorbei… tut nicht weh, interessiert mich aber auch nicht.

#13 – Schöner minimalistischer Auftakt, dann die Stimme… und hier hab ich jetzt doch gegoogelt, denn die Stimme hat mich neugierig gemacht… die Ex des Doktorgewandtragenden Antipoden der Definitionsmacht… oder so ähnlich ;-)
Hab mich mit dieser Gruppe bisher noch gar nie befasst und weiss auch nicht, ob ich das in Albumlänge regelmässig hören würde, aber der Track ist gut, wieder ein schön fetter Beat, Kontrabass passt wunderbar in solche Musik, und das Fender Rhodes scheint diesmal auch echt zu sein… doch, da würde ich gelegentlich auch gerne mehr hören davon! Singt die Dame nur auf dem einen Track oder auf dem ganzen Album? Oder gar auf mehreren?

#14 – Hm… das läuft für mich wieder etwas ins Leere, vermag mich erstmal gar nicht zu fesseln. Anklänge an Keith Jarrett und zwischendurch auch mal kurz ans funky Hardbop-Piano, aber aus den Klischees will sich der Herr hier scheinbar gar nicht befreien. Ist das Gegrunze ein Indiz dafür, dass es Jarrett selbst ist? Oder Brad Mehldau in einem Moment fast vollständiger Umnachtung? Das Stück entwickelt sich am Ende schon ein wenig, baut etwas Spannung auf, aber die linke Hand nervt doch gehörig – und nein, Mehldau hätte daraus mehr gemacht, Jarrett traue ich’s aber zu. Ich bliebe also mal bei ihm (allerdings ein sehr schwacher Moment – würde mich interessieren, wie das Drumherum klingt).

#15 – Hm, auch hier geschieht mir zu wenig (oder aber zu viel – gegen richtigen Minimalismus habe ich gar nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil, aber dazu ist das hier ja viel zu üppig angerichtet).

#16 – Und hier folgt das auch schon längst vermisste Sopransax :-)
Gar nicht schlecht, der Beat hier… erinnert mich ein klein wenig an Enders Room (habe zwei CDs aus den Grabbelkisten, aber beide schon lange nicht mehr gehört). Hier passiert mir aber auch eher wieder zu wenig oder eben zu viel.

#17 – Ein ruhiger Ausklang, wieder mit Piano… kann man gut hören, tut nicht weh, aber interessiert mich auch nicht besonders.

Meine Mutmassungen über den Sound sind wohl langweilig, repetitiv und für den NuJazz- oder whatever-Höhrer völlig irrelevant… es ist eine Mischung daraus, wie mein Hirn beim Musik-Hören nunmal verkabelt und trainiert ist, und auch aus purer Neugierde, weil ich gegen Spielerein, Basteleien, neue Sounds usw. keinesfalls grundlegend etwas einzuwenden habe (selbst wenn ich selten Musik höre, in der sowas gemacht wird).

Der Höhepunkt sind für – wenig überraschend wohl – die beiden tollen Gitarrentracks in der Mitte!

Danke nochmals, Jan! Ich werd mich demnächt mal durch die obigen Kommentare lesen und weiterhören!

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