Re: Blind Fold Test #10: JanPP

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Hier schon mal die erste Hälfte.

#01
Klingt fast wie frühe Kraftwerk, z.B. von RADIOKTIVITÄT. Fehlt nur noch das eine Stimme „Ohm, Sweet, Ohm“ intoniert. Ist aber was anderes. Eigentlich ein recht schön modulierter elektronischer Klang. Gefällt mir, auch wenn es nur ein kleiner Vorspann ist.

#02
Orgel, Piano, Trompete, Tabla, hmmm …? Recht gefällig, leichter Hang zur Pseudo-Exotik. Keine Ahnung, was das ist. Ich finde das recht flott, wenngleich mir das etwas zu sehr nach Urlaub klingt.

#03
Kinderzimmer! Ich kenne einen Musiker namens Guido Möbius, dessen Musik klingt, als versuche er Elektronika mit dem zu imitieren, was die Spielzeugkiste seines Sohnes hergibt. Hier klingt das so, als würde jemand versuchen Jazz zu spielen. Oder ist das Pascal Comelade mit irgendwelchen Spielzeuginstrumenten? Ich finde den do-it-yourself Ansatz jedenfalls amüsant.

#04
Da klingt so, als sei es im Schlafzimmer auf dem Laptop produziert. Erst sehr geheimnisvoll. Dieses kleine Motiv auf dem E-Piano bringt eine jazzige Note rein. Das schält sich dann noch mehr raus, bekommt fast so etwas von einer kammermusikalischen Fingerübung auf dem Piano. Hübsch.

#05
Auf jeden Fall schon mal ein geschickter Übergang mit dem E-Piano. Als der Beat einsetzt und ich die Stimme höre, denke ich zuerst das ist der Hype des letzten Jahres, James Blake. Aber das hier ist offenbar ein französischer Kollege von ihm. Eigentlich finde ich diesen am Laptop zusammengeklickten Beat ja ganz gut, aber ich mag diese Jammerstimme nicht hören. Geschmacksache.

#06
Das ist vom Groove her etwas konventioneller, gefälliger, ein bisschen loungig. Versuche mir die ganze Zeit, die Bar vorzustellen, in der das im Hintergrund gespielt wird und welches Publikum welchen Drink dazu schlürft. In sofern finde ich das auch ganz okay, ist aber nichts, was mich begeistert. Ich glaube, das soll aber auch gar nicht begeistern.

#07
„Echte“ Instrumente. Aber auch wieder sehr understated und athmosphärisch. Manchmal wird so was wie Aufregung angedeutet, die dann aber ausbleibt. Der Gitarrist hat diesen – ich sag mal: typischen, fast ein bisschen zum Klischee verkommenen Jazzklang wie z.B. der späte Wes Montgomery, hat etwas behagliches, das bei mir nicht so recht zündet.

#08
Bei diesem Stück bin ich hängen geblieben. Der Übergang ist wieder super raffiniert, so dass ich bei der vorangegangenen etwas leichteren Kost zuerst gar nicht gemerkt habe, was sich hier anschleicht und mich dann langsam überrollt. Dann dachte ich, klingt irgendwie wie aus dem Soundtrack zu THE HOT SPOT von J.L. Hooker, Miles und Taj Mahal. Nach einer Weile ist aber klar, wer hier Gitarre spielt. Mut zum Understatement, unglaubliche Spannung, hier wird etwas in aller Ruhe aufgebaut und durcherxerziert, bis zum bitteren Ende. Erst die böse Vorahnung und dann kurz vor Schluss die Kopfschmerzen. Beim zweiten Hören war mir auch die Komposition klar, und auch das ist toll, wie dieser kleine 3 Minuten Ohrwurm hier langsam seziert wird. Ich finde auch das Spannungsverhältnis zwischen Original und Coverversion hier großartig. Das kommt zunächst scheinbar harmlos daher, aber dann hat man das Gefühl, es wird einem langsam der Boden unter den Füßen weggezogen. Habe früher sehr viel von diesem Gitarristen gehört, bis ich dachte, jetzt kenne ich eigentlich alles von ihm. Auch hier gibt es keine Stilmittel, die ich nicht schon an anderer Stelle von ihm gehört habe. Aber auf welchem Niveau! Große Kunst!

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)