Startseite › Foren › Das Radio-Forum › Roots. Mit Wolfgang Doebeling › 15.01.2012 › Re: 15.01.2012
Herr RossiDas mag ich nicht ganz auf mir und anderen Usern sitzen lassen. Ja, mich fuchst es schon ein wenig, wenn ich verspätet auf etwas aufmerksam werde, vor allem, wenn es mir schon mal direkt vor die Nase gehalten wurde.
Mal abgesehen davon, dass man als Musikjournalist für die ständige Recherche andere Möglichkeiten hat, als wenn man in anderen Berufen tätig ist und möglicherweise neben der Musik noch ein paar andere Interessen pflegt – ich bin schon daran interessiert, auf dem Laufenden zu bleiben. Im RS findet „meine“ Musik schon lange kaum noch statt bzw. haben sich meine Interessen anders entwickelt. Ich lese ihn noch, er hat aber nicht mehr die Orientierungsfunktion wie in den 90ern. Englische Musikzeitschriften regelmäßig zu lesen, schaffe ich nicht.
Bleibt das von Dir so innig geliebte Internet, was aber erstmal nicht gut oder böse ist, sondern das, was Nutzer daraus machen. Für mich sind Blogs natürlich wichtig, aber vor allem der Austausch mit anderen Musikenthusiasten auch außerhalb des Forums. Via Internet. Meistens funktioniert dieses „Frühwarnsystem“, so dass ich die meisten meiner Favoriten der letzten Jahre schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Visier hatte, Lana Del Rey z.B. schon im lm Sommer 2010. Dass Du das Wissens- und Deutungsmonopol des Musikjournalisten den Netzwerken vorziehst, ist allerdings einleuchtend.
Zugegeben, Du warst Auslöser obiger Ausführung, weil Du zwar keineswegs zu den ganz Ahnungslosen im Forum gehörst, sich am Beispiel Tristen aber genau deshalb schön beobachten ließ, wie das mit den „Tipps“ inzwischen so läuft: zufällig.
Nun, „meine Musik“ findet im RS auch schon lange kaum mehr statt (außer in eigenen Texten), warum sich eine Orientierungsfunktion deshalb auf das Web beschränken muß, will mir indes nicht recht einleuchten. Englische Musikzeitschriften zu lesen, schreibst Du, sei für Dich nicht zu schaffen, aber Zeit und Muse für Blogs und Netzwerkaktivitäten hast Du offenbar. Eine Frage der Prioritäten nur.
Schließlich: ein „Wissens- und Deutungsmonopol“ beanspruche ich bestimmt nicht, im Gegenteil: Diskurs auf ungefährer Augenhöhe ist Voraussetzung für Erkenntnisgewinn, auch und gerade in Fragen der Ästhetik. Im Internet herrscht freilich ein so verheerendes Gefälle an Voraussetzungen, das Übergewicht schlichter Idiotie ist dermaßen erschlagend, daß die Suche nach Substanz zwangsläufig jener nach der proverbialen Stecknadel im Heuhaufen gleicht; für mich nicht zu schaffen.
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