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Im Februar 1963 fand anscheinend in Berlin ein erster Mitschnitt für den Rundfunk statt. Die Titel sind nicht bekannt und die Aufnahmen leider erst recht nicht. In Köln wurde irgendwann 1963 ebenfalls ein Stück für den Rundfunk mitgeschnitten: „Jay Jay“, das im Intro der WDR-Produktion „Der 7. Sinn“ verwendet wurde (Erstausstrahlung am 11. März 1966).
Kenny Clarke war wie immer sehr beschäftigt, wirkte unter anderem an Aufnahmen von Alice Babs mit Duke Ellington, Dexter Gordons Klassiker „Our Man in Paris“, Flavio Ambrosetti, Lou Bennett und Steve Anderson mit, trat regelmässig (wie schon in den Jahren davor) mit dem Trio von Bud Powell auf (Pierre Michelot spielte Bass, die drei begleiteten auch Gordon auf dem genannten Album), nahm backing tracks für die Double Six de Paris auf (r.i.p. Christiane Legrand und Mimi Perrin – letztere ist jetzt schon fast ein Jahr tot, wie die Zeit vergeht…). Zudem trat er mit seinem eigenen Trio auf, mit Lou Bennett (org) und René Thomas (g).
Bevor Campi die Big Band wieder zusammegetrommelte, wurden in der Clarke/Boland-Küche einige tolle Small Group Alben angerichtet. Das erste davon gehörte Johnny Griffin, einem künftigen treuen Big Band-Mitglied. Gemäss Siegfried E. Loch, der mit Campi das Album produziert hat (supervision by Loch, produced by Campi steht in den Credits) entstand die Idee spontan, anlässlich eines Auftritts von Griffin in Köln. Danach sass man in Campis Kaffee und redete – und der Beschluss wurde gefasst, Griffin mit der CBBB-Rhythmusgruppe aufzunehmen: Francy Boland (p), Jimmy Woode (b) und Kenny Clarke (d). Die Session fand am 13. Februar 1964 im EMI Studio in Köln statt.
Night Lady (Philips 48071L bzw. 840 447) ist das resultierende Album, und es passt perfekt in die Reihe toller Alben, die Griffin in den Jahren davor für Riverside, Blue Note und Argo aufgenommen hatte. Er ist in grosser Form und die Rhythmusgruppe ist quite something. Clarke legt schon im Opener „Scrabble“ mit einem tollen Beat vor, Woode spielt tolle Basslinien, Griffin hebt ab, während Boland ihn mit verschrobenen Akkorden speist. Als nächtes folgt eine Version von „Summertime“, in der Woode ein einprägsames Bass-Lick spielt. Die Stimmung erinnert ein wenig an jene der 1957er Trio-Aufnahme von Charles Mingus (mit Hampton Hawes und Dannie Richmond). Griffin klingt verhalten, nimmt sich zurück, um im Solo dann ganz langsam allmählich etwas aufzudrehen. Gegen Ende seines Statements brennt er lichterloh, wirft double time Linien ein, growlt, verfremdet den Ton, wie nur er es konnte. Boland folgt mit einem tollen Solo, das gar nicht erst versucht, das energetische Level zu halten, aber schnell einen ganz eigenen Drang entwickelt, eine Art Vorwärtstaumeln, in dem auch immer mal wieder Purzelbäume in beide Richtungen geschlagen werden.
Bolands „Old Stuff“ öffnet mit einem Vamp, der auch Horace Silver gut gepasst hätte. Griffin spielt dann das Thema über einen walkenden 4/4 mit viel Kommentar von Clarke. In der Bridge kehrt der Vamp zurück, klingt aber diesmal anders. Über den Vamp steigt Griffin in sein Solo ein, spricht, erzählt, singt auf seinem Saxophon. Boland steuert ein weiteres tolles Solo, bei dann folgt Woode. Immer wieder schiebt sich der Vamp ein, Griffin gesellt sich mal leise, mal lauter dazu, auch in Kenny Clarkes Schlagzeugsolo.
Den Auftakt zur zweiten Seite macht gleich wieder ein Boland-Original, sein zweites und letztes – das Stück „Night Lady“, das zum Titelstück des Albums erwählt wurde und bereits auf der Big Band-Scheibe „Now Hear Our Meanin'“ zu hören war. Boland setzt den 6/8-Groove mit einem gekonnten, kurzen Intro, dann spielt Griffin das bluesige Thema über einen pedal point von Woode und setzt sofort zu einem tollen Solo an. Die Rhythmusgruppe hält die Begleitung flexibel, besonders Woode lässt immer wieder aufhorchen, fällt in walking bass Linien, wirft kleine Motive und verdoppelte Noten ein, während Clarke dafür sorgt, dass ein dichter Schlagzeug-Teppich gewoben wird und Boland zurückhaltend aber prägend compt. Boland ist dann selbst wieder funky ohne funky zu sein… ganz schwer, das zu beschreiben. Er rifft, rollt, hat Tonnen von Soul im Spiel, aber driftet nie in Klischees ab, lässt sich dazu hinreissen, Blues-Phrasen rauszuhämmern, wie sie bei anderen Pianisten – Junior Mance, Bobby Timmons, Ray Bryant etwa – durchaus passen würden, aber bei ihm eben nicht. Jedenfalls ein grossartiger Pianist, der einen ganz eigenen Stil pflegte. Woode folgt, steigt ruhig ein und baut ein schönes Solo auf. Danach kehrt Griffin zurück, honkt und rifft – natürlich geht sowas nie ganz klischeefrei, aber in diesem tollen Rahmen und mit Griffins grossem Sound macht das eben trotzdem (oder erst recht) grosssen Spass!
Es folgt die Ballade „Little Man You’ve Had a Busy Day“, ein tolles altes Stück, das schon die Boswell Sisters oder Perry Como aufgenommen hatten. Auch Art Tatum, Chet Baker, Sarah Vaughan und Dakota Staton nahmen ihre Versionen auf. Griffin gräbt tief in die Ballade hinein, spielt ein wunderbares Solo, das trotz grosser Intensität und mancher rasanter Phrasen nie aus dem Rahmen der Ballade ausbricht. Auch Boland und Woode sind zu hören, bevor Griffin das Stück mit dem Thema und einer kurzen Solo-Kadenz beendet (mit Referenz an Hoffmann von Fallersleben… er zitiert auch schon in „Summertime“ etwas, aber ich komm nicht drauf).
Den Abschluss macht eine lebendige, schnelle Version von „All the Things You Are“. Mit seinem tollen Sound schafft Griffin es, schon das langweilige Thema spannend zu gestalten und hebt dann sogleich zu einem grossartigen Solo ab, in dem er aus kurzen Phrasen eine Art Dialog mit sich selbst spinnt – stets mit dichtem Kommentar von Kenny Clarke. Die zweite Hälfte des Solos wird dann flüssiger, und flüssig übernimmt auch Boland, die Läufe perlen, werden aber immer rechtzeitig gestoppt, kippen nie ins Belanglos-Leere – wir hören hier einen Musiker, der zugleich Architekt ist, schnörkellos, denkend, aber auch direkt, unmittelbar. Woode folgt mit einem kurzen, tollen Solo der Session, voller rhythmischer und melodischer Ideen. Dann spielen Griffin und Clarke ein paar Exchanges, bevor das Thema repetiert wird (nochmal mit ein paar Takten Clarke dazwischen) und mit einem kleinen Tag endet das Stück und die Scheibe.
Werner Burkhardt berichtet in seinen originalen Liner Notes über seine erste Erfahrung mit Griffin:
On hearing him the first time – in Zurich in the autumn of 1963 – he seemed to me as one possessed, a black gnome hopping about in a state of ecstasy, and a lover of the extreme. The range of pitch he coaxes from his instrument, the deepest „bronk“ to the highest „beep“, is in itself a proof of this last. Johnny Griffin, as his records confirm, must rank as one of the greatest tenor saxophonists of modern times. His playing in Zurich was astonishing in its aggressive nervousness, obsessive force and apparent simplicity of phrasing.
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