Re: Kenny Clarke with Francy Boland and the Bands

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Am 14. April 1961 spielten Clarke und Boland mit Goykovich, Humble, Drewo, Aderhold, Kretschmar sowie Pierre Michelot oder Warland und dem Gast J.J. Johnson in der Grugahalle in Essen. Neun Stücke wurden vom WDR mitgeschnitten und ausgestrahlt. Sie sind auch auf eine private LP gepresst worden, die leider nicht greifbar ist.

Am 18. und 19. Mai produzierte Gigi Campi in Köln die ersten eigentlichen Clarke-Boland-Aufnahmen. Das Album wurde von Blue Note veröffentlicht. Kenny Clarke – Francy Boland & Co.: The Golden 8. Wie der Name schon sagt ist auch hier ein Oktett am Werk, wieder sind Dusko Goykovich (t), Derek Humble (as) und Karl Drewo (ts) dabei, am Bass ist Jimmy Woode zu hören, der künftige reguläre Bassist der Big Band (Jean Warland stiess immer mal wieder dazu oder spielte an Woodes Stelle). Die beiden tiefen Holzbläser sind den Alt- und Baritonhörnern von Raymond Droz und Christian Kellens gewichen, die beide eine aktivere Rolle spielen und auch solistisch zu hören sind.

Zum Auftakt ist erneut „Campimania“ zu hören. Das Arrangement wirkt dichter, Clarke trommelt kontrolliert aber dicht. Drewo soliert als erster, mit starkem Sound und sicherer Phrasierung, streut zwischendurch einige kleine Licks ein, die stark an einen künftigen Musiker der CBBB erinnern: Johnny Griffin. Es folgt Francy Boland mit einem Piano-Solo, das von starkem rhythmischen Drang ist, mit hartem Anschlag ausgeführt, während die Bläser unter ihm riffen. Nach einem kurzen Bass-Solo von Woode folgt das erste Schlagzeug-Solo Clarkes und da ist diese seltsam rotierende Spielweise, die unglaublich swingt, sehr lose aber zugleich sehr kontrolliert wirkt – und dabei dieser tolle Sound… unverwechselbar Kenny Clarke!
Es folgt die Ballade „Gloria“, die ganz Drewo gehört. Wunderbar aufgenommen kommt sein Ton schön zur Geltung. Boland spielt ein eigenartiges Intro und gibt auch mit seinen sparsamen Akkorden die Richtung vor. Die anderen Bläser legen streckenweise einen Teppich, über dem Drewo die Töne zugleich setzt aber auch ineinander fliessen lässt, hart aber doch mit einem weichen Vibrato – grossartig!
Woode öffnet den Blues „High Notes“ am Bass. Für den zweiten Chorus gesellen sich die Bläser dazu, Clarke swingt leicht. Das Thema besteht fast nur aus einzelnen Tönen, aus denen Goykovich ein erstes Solo formt, mit einer Phrase zum Auftakt, die ebenfalls nur aus einem Ton besteht. Im zweiten Chorus beginnt Boland schliesslich auch mitzuspielen, gibt sofort wieder die Richtung vor – sein comping ist sehr speziell, auch wenn er wie sein Co-Leader ein Meister war darin, im Hintergrund zu bleiben: seine Präsenz ist stets zu spüren!
„Softly as in a Morning Sunrise“ gehört dann den beiden Euphoni… ja wie denn? -ümmer, -a, -i? Egal… über die 2-Beat-Begleitung von Boland und Woode spielt wohl Kellens das Thema (die Bridge übernehmen die anderen Bläser mit Dusko im Lead) und dann das erste Solo. Es folgt Droz mit dem kleineren, höheren Horn und einem etwas kompakteren, bissigeren Sound. Danach treten die beiden in einen angeregten aber entspannten Dialog, bevor die Band mit einem altmodischen shout chorus (mit Piano in der Bridge) das Stück ohne Wiederaufnahme des Themas beendet.
Das Titelstück „The Golden Eight“ ist eine zickige Nummer, stark rhythmisiert und von den Bläsern (und dem Piano und den Drums) in unsterschiedlichen Konstellationen gespielt. Humble bläst das erste Solo, leicht, agil, mit leicht verhangenem Ton irgendwo zwischen Desmond und Konitz, aber mit viel Parker. Es folgt Dusko (lyrisch) und Drewo mit einem sehr tollen Solo, das geschickt Spannung aufbaut, von den … ach, Posaunen halt, unterstützt. Dann spielt Clarke ein Solo, das von kurzen Fragmenten des Themas umrandet wird.
„Strange Meeting“ öffnet mit Clarke an den Beser – er war darin einer der ganz grossen Meister! Das Thema besteht wieder nur aus hingestotterten Tönen, die aber geschickt gesetzt sind. Dusko ist der Solist und spielt ein tolles, nervös changierendes Solo, hinter dem Boland und Clarke Akzente setzen. Boland und Clarke sind denn auch die weiteren Solisten, bevor das Gestotter (mit fliessender Bridge übrigens) wiederholt wird.
Mit „You’d Be So Nice to Come Home To“ folgt ein weiterer Standard, den Boland am Piano präsentiert. Der Swing ist leicht und mitreissend, die Bläser streuen kurze Fragmente ein und riffen auch hinter dem Piano-Solo. Drewo trifft einmal mehr den richtigen Ton, dann endet das Stück mit viel Woode.
„Dorian 0437“ war Clarkes Telefon-Nummer in Paris. Die Euphonii und Drewo präsentieren das Thema, dann soliert Droz, sehr agil, mit weicherem Ton als in „Softly“. Zwischen den einzelnen Chorussen sind kurze Intermezzi mit Latin-Rhythmen zu hören, so auch vor Duskos schönem Solo. Drewo folgt, der Einstieg ins Solo grossartig und auch danach wieder toll, wie er mit Wiederholungen, kleinen Riffs und deren Verschiebung Spannung aufbaut… mit einem Schrei geht er aus dem Latin-Vamp in die zweite Hälfte des Solos, in dem er den Spannungsbogen langsam wieder abbaut und dann an Humble übergibt.
Kellens präsentiert das Thema von „Poor Butterfly“ und hier kommt die dunkle Sonorität des Euphoniums noch schöner rüber als in den Stücken davor. Das langsame Tempo lässt ihn richtig singen, die langen Töne mit einem wunderbaren Vibrato enden. Wenn man sich das anhört, wundert man sich, warum dieses Instrument im Jazz so selten zu hören ist! Humble folgt mit einem wunerschönen Altsolo, dann hören wir nochmal Boland mit einem tollen Solo. Er arbeitet mit Farben, alles scheint bei ihm ganz einfach zu sein, aber wenn man genauer hinhört, dann wird schnell klar, wie reich seine Musik ist – das gilt für seine Arrangements genauso wie für sein Klavierspiel. Und da ist immer der rhythmische Drang, der auch hier im langsamen Tempo zu spüren ist. Kellens schliesst am Ende mit dem Thema ab.
Zum Ende hören wir Jimmy Woode in „Basse Cuite“. Weichgekocht wirkt sein Bass allerdings gar nicht (und gar auch nicht), sondern leicht, agil, zugleich erdig und tief. Mit Boland und Clarke formte er in den nächsten zehn Jahren eine stets spannende, swingende Rhythmusgruppe. Goykovich spielt das erste Solo, nach einem kurzen Interlude folgt Humble als zweiter Solist. Hier wird nochmal klar, wie dicht (und dennoch leicht) Bolands Arrangements sind, wie durchdacht. Die Band atmet gemeinsam, trotz toller Soli ist das stets auch Musik der ganzen Band.

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