Re: Kenny Clarke with Francy Boland and the Bands

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Kenny Clarke, Gigi Campi und Francy Boland (v.l.n.r.)

Campis Eltern eröffneten 1925 die erste Eisdiele Kölns. Von 1949 bis 1980 führte Pier Luigi „Gigi“ Campi das Café. Im Jahr zuvor hörte Campi erstmals eine Aufnahme von Charlie Parker und wurde zum Jazzfan. 1949 – auf dem Weg an eine Internationale Konferenz der Jungsozialisten – hörte er in Zürich ein prägendes Jazz-Konzert: Django Reinhardt und eine andere Band mit einem tollen Drummer traten gemeinsam auf.
1952 tourte James Moody durch Deutschland, Campi und seine Frau hörten die Band in München und sofort erkannte er den Drummer wieder: Es war Kenny Clarke. Nach dem Konzert ging er hinter die Bühne. Er erfuhr, wen er damals 1949 gehört hatte: Moody, Miles Davis, Tadd Dameron und Tommy Potter, die Band, die davor am ersten Jazzfestival in Paris aufgetreten (mit Barney Spieler am Bass) und aufgenommen worden war.
Der Erfolg seines Cafés erlaubte es Campi, Jazz-Konzerte zu organisieren und Platten zu produzieren. Er stellte für Chet Bakers Quartett eine Tournee zusammen und brachte auf seinem Label Mod Records Musik von Lars Gullin, Lee Konitz, Jutta Hipp und Hans Koller heraus. Mit einer Tour von Konitz, 1956, machte er grosse Verluste und beschloss, sich aus dem jazz zurückzuziehen.

Francy Boland war zu dieser Zeit in den USA, schrieb Arrangements für Benny Goodman und Count Basie (Mary Lou Williams hatte ihn empfohlen). Er war eigentlich Autodidakt, hatte am Konservatorium in Namur etwas Musik studiert und am königlichen Konservatorium in Lüttich etwas Klavier und Harmonielehre belegt. Er schwärmte damals für die Swing-Bands von Les Brown, Count Basie und Artie Shaw, 1942 schrieb er mit zarten dreizehn Jahren seine ersten Arrangements.
Auch für Kurt Edelhagen und Werner Müller hatte er arrangiert, Campi wurde so auf ihn aufmerksam. Das mutlinationale Ensemble, das Edelhagen 1957 gegründet hatte, war in der Zeit wohl die feinste moderne Big Band Europas. Etwas bombastisch, von Kenton geprägt, mit anspruchsvollen Arrangements kam die Musik daher. Die Band konnte auch tolle Solisten wie Dusko Goykovich, Jiggs Wigham, Karl Drewo, Peter Trunk, Jimmy Deuchar, Wilton Gaynair, Benny Bailey, Derek Humble, Peter Herbolzheimer, Ferdinand Povel, Shake Keane und andere vorweisen.

Edelhagen spielte regelmässig für den WDR, dessen Studios gegenüber Campis Büro lagen. Musiker der Band fanden sich regelmässig in seinem Café ein und Campi besuchte oft Proben im Studio. Ein Arrangement, das Boland über den alten Klassiker „Johnny One Note“ geschrieben hatte, tat es ihm besonders an.

In den späten 50ern präsentierte Campi in seinem Café Live-Konzerte und diskutierte mit Boland über die Möglichkeit, eine Band zu gründen. Er hatte den Plan gefasst, für den Karneval eine Band auftreten zu lassen, die dem, was er „traditionelle Karnevalsschundmusik“ nannte, entgegentrat. Zu diesem Zweck buchte er den Tenorsaxophonisten Don Byas und verpflichtete neben Boland auch Kenny Clarke sowie einige Edelhagen-Musiker: Chris Kellens, Eddie Busnello, Fats Sadi und Jean Warland. Mit dieser Besetzung entstanden die erwähnten ersten Aufnahmen einer Clarke-Boland Gruppe.

Quelle: Mike Hennesey: Erinnerungen an Klook – Das Leben von Kenny Clarke, 2004, S. 219ff.

Zu Campis Eisdiele:
http://www.campi-im-funkhaus.de/campi/index.html

Und ein Nachruf:
http://www.ksta.de/html/artikel/1262689709962.shtml

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