Re: Bob Dylan & Mark Knopfler – Tour Herbst 2011

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speed-turtle

Registriert seit: 23.03.2011

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notdarkyetVielleicht doch noch zwei, drei Sätze zur „Gesangsdiskussion“:

Für mich klingt Dylans Stimme auch 2011 (gar anarchisch) rauh und brüchig wie immer schon. (Die fast gejodelten Ausflüge unter Nashvilles Skyline, die ich sehr mag, mal weggelassen).

Da könnte man jetzt einwenden, dass gerade durch die „Nashville-Stimme“ seinerzeit ja erst offenkundig wurde, wie bewusst er sich seiner unterschiedlichen Register bediente, dass er jeweils genau so sang, wie er eben klingen wollte. Durch die überwiegende Festlegung auf das, was wir heute als DIE „Dylan-Stimme“ kennen, sind die untrainierten Bereiche außerhalb des ständig bedienten Spektrums allerdings mit der Zeit verkümmert, so dass der einst als Stilmittel gezielt kultivierte „rauhe und brüchige“ Klang irgendwann seiner tatsächlichen, „natürlichen“ Stimmverfassung entsprach. Dass die Risse und Klüfte sich mit den Jahren in zunehmender Geschwindigkeit vertiefen, gerade bei dermaßen intensiver Dauerbeanspruchung, ist dabei so folgerichtig wie unvermeidbar, darüber kann man doch gar nicht diskutieren, ohne Dylan zum anatomischen Wunder zu erklären. Für die Beurteilung seiner Performance ist das aber völlig irrelevant, und deshalb staune ich über den Raum, den das Thema in der Debatte einnimmt. Ein Streichquartett ist doch auch nicht zwangsläufig „schlechter“ als eine Sinfonie, nur weil weniger Instrumente dabei zum Einsatz kommen. Das glatte Gegenteil kann der Fall sein, wie auch der Autor folgender Zeilen erkannt hat:

„How your head feels under somethin’ like that, under your brand new leopard-skin pill-box hat“, knurrt Bob schnodderig und schotterig. Seine Stimme, die inzwischen nur noch einen Tonumfang von einer halben Oktave haben dürfte, klingt gefühlvoller denn je, besser noch als vor ein paar Monaten bei einem umwerfenden Sommerkonzert im Hamburger Stadtpark.
„It’s All Over Now, Baby Blue“, singt Bob überwältigend, mit tollem Phrasing, fast ohne Stimme, und drückt so viel Tiefe aus damit, so viel Seele, dass man heulen könnte.

Exactly, und die Rezension, aus der das stammt, geht übrigens auch mit MK viel netter um als die letzte hier verlinkte:

http://www.tagesspiegel.de/kultur/pop/bob-dylan-und-mark-knopfler-/5802108.html

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Musik ist nicht was sie ist, sondern was sie den Menschen bedeutet. (Simon Rattle)