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Ich hatte im Howard McGhee-Thread schon über eine etwas fragwürdige Stitt-Compilation geschrieben:
gypsy tail wind
Im Oktober trafen sich Sonny Stitt und Howard McGhee in den Turicop Studios in Zürich, um ein Album aufzunehmen. Es gehört in der Flut von Stitt-Alben keinesfalls zu den besten, ist aber aufgrund der Band doch erwähnenswert, da sich neben den beiden Bläsern auch eine Rhythmusgruppe aus alten Bebop-Veteranen einfand: Walter Bishop Jr. (p), Tommy Potter (b) und Kenny Clarke (d).
Stitt hat „Loverman“ für sich allein, er spielt ein virtuoses Balladensolo. Potters Bass sticht in der Begleitung heraus, mit sattem Ton legt er ein solides Fundament – die Bassisten waren ja im allgemeinen noch bis in die 50er Jahre hinein etwas im Rückstand, was die musikalische Emanzipation betraf, und aufnahmetechnisch ist es oft auch schwierig, ihren Beitrag auf den alten Aufnahmen zu beurteilen, und so freut es denn, wenn man jemand wie Potter mal wieder hören kann, zwei Jahrzehnte nach den grossen Jahren mit Charlie Parker – und selbst wenn er auch 1967 kein grosser Virtuose geworden ist.
Auf den drei weiteren Stücken ist McGhee dann mit dabei. Zuerst ist da „Matter Horns“, ein wohl on the spot ausgedachter Blues, falls da überhaupt etwas gedacht wurde… Stitt legt jedenfalls los mit einem schönen Solo (er spielt übrigens ausschliesslich Altsax, was ja zum orthodox boppigen Setting passt). McGhee steigt mit einigen hingeschluderten Trillern ein, sein Ton wirkt wenig kontrolliert… aber er fängt sich nach ein, zwei Durchgängen etwas und spielt ein recht schönes Solo jenseits von aller technischen Blendkunst (oder bösartig gesagt: er verhaut ein Drittel seiner Doubletime-Läufe… aber das find ich bei Trompetern irgendwie oft sympathisch, wenn sie nicht mi Monster-Chops und Hubbard’schem Selbstbewusstsein auftreten). Bishop kriegt ein kurzes Solo und schon schleicht sich Stitt herein, auch nur kurz, denn Potter walkt ein paar Chorusse, bevor die obligaten Fours folgen. Mit elf Minuten ist „Matter Horns“ das längsten Stück der Session.
Es folgen zwei Originals von McGhee, das erste heisst „Hello“ und wird von Stitt vorgetragen, während McGhee seine Phrasen stets wie ein Echo wiederholt, bevor er – hier mit Dämpfer – das erste Solo übernimmt. Es folgt Bishop, dann McGhee – und er ist klar der beste Solist des Tages. Zum Abschluss folgt „Night Work“, in dem Stitt das erste Solo spielt und McGhee mit einem guten Solo folgt. Auch Bishop lässt sich zu einem schönen Solo inspirieren. Auch die Exchanges zwischen Stitt und McGhee zum Ende machen Spass. Es scheint, als sei die Band hier langsam warm geworden.
Die oben abgebildete CD ist ein typisches Black Lion Machwerk… es fehlt das McGhee-Feature „Don’t Blame Me“ und das Piano-Solo „Satin Doll“ – mit diesen beiden erschienen die Aufnahmen zuerst als Night Work (Black Lion), die CD Autumn In New York wurde hingegen mit vier kurzen Stücke aufgefüllt, die Sonny Stitt mit einer unbekannten Rhythmusgruppe im Birdland in New York präsentieren. Diese Aufnahme stammen von Radio-Mitschnitten vom 3. und 10. November 1962 und dem 15. März 1963 und sind auf dem Charlie Rose Bootleg-Label Ozone unter dem Titel Sonny Stitt erschienen (mit vier weiteren Stücken).
Es dreht jetzt die Black Lion LP auf dem Plattenteller:
Nicht, dass die Musik heute viel besser wäre – aber es ist schon ein anderes Hören, wenn man die LP auflegt und weiss, dass man die Aufnahmen so hört, wie sie ursprünglich zur Veröffentlichung hergerichtet worden sind und nicht so, wie sich’s irgendein Produzent billiger CD-Reissues ausgedacht hat.
Den Auftakt macht „Night Work“ – und das macht gleich einen Unterschied, denn die Band ist hier zusammen, in Form, Clarke treibt mächtig, Stitt, McGhee spielen tolle Soli. Die erste Seite endet dann mit „Matter Horns“, dem längsten Stück der LP. Hier geht es ganz um Stitt und sein grossartiges Blues-Spiel. McGhees Solo klingt nach dem tollen Opener auch anders, besser. Potter spielt ziemlich stark und kriegt am Ende auch ein Solo – er war ja wirklich kein toller Solist, aber hier erfüllt er seine Aufgabe ganz gut.
Die zweite Seite öffnet mit Stitts Feature „Lover Man“, dann folgten das Bishop-Feature „Satin Doll“ und McGhees „Don’t Blame Me“, die beiden Nummern, die auf der oben abgebildeten CD fehlen. Bishop erinnert in seinem Spiel stark an Ellington – sehr schön! Auch McGhee weiss zu gefallen, obgleich seine Intonation nicht sehr sicher scheint. Er bläst lange flächige Linien mit grossem Ton, streut Triller oder kurze rasante Phrasen ein. Potter fällt hier erneut mit seinem schönen Ton in der Begleitung auf. Bishop markiert über weite Strecken Viertel und bringt eine gewisse Stabilität ins Gefüge, wogegen Clarke streckenweise mit seinen eigenartigen aber nie störenden Akzenten ankämpft. Den Abschluss macht dann McGhees „Hello“, die dritte Quintett-Nummer. McGhees Solo mit Dämpfer klingt nicht übel, aber so richtig abheben mag es nicht. Es folgen übrigens Bishop und Stitt – und Stitt ist der beste Solist der Session – im zitierten Post oben hat sich ein Schreibfehler eingeschlichen, pardon!
Jedenfalls ist es hier für einmal recht erstaunlich zu sehen, wieviel die Präsentation ausmacht. Klar, auch die Black Lion-LP ist in Stitts riesigem Werk nicht von allzu grosser Bedeutung – aber sie ist eben doch ein ganzes Stück besser als die zusammengewürfelte CD.
In den Alun Morgans Liner Notes berichtet Walter Bishop übrigens, wie er bei seiner ersten Session mit Parker diesen ungewollt beeindruckte:
Bishop modestly recalls the „accident“ which caused him to impress Parker when he first played with him at a jam session in 1944. „It was an all-star night, and musicians like Ben Webster, Oscar Pettiford, Erroll Garner and Buck Clayton were there. The tune called was Savoy. During the piece my hand slipped and struck a wrong chord. Bird turned around and said ‚what was that?‘. It was said in admiration, for with his deep musical feeling, what sounded wrong may have contained something weird, exciting and beautiful for him. ‚Damn‘ he said ‚who is this cat?‘. Then he asked me to call off the name of that change. I could never remember what wrong chord I hit!“
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